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The Pauses und „Unbuilding“: Gestört aber geil

Rockmusik sinnvoll mit Elektronik zu verbinden, kann das überhaupt mal gut gehen? An diesem wohl am kontroversesten diskutierten Gegensatz der letzten Jahrzehnte Popgeschichte scheiterten bereits die Allergrößten. Anscheinend wussten The Pauses das nicht - und haben es einfach gemacht.

„Irgendwie ätzend“ denkt man sich instinktiv bei den ersten Tönen von „Unbuilding“. Kein Wunder, ist der aufdringliche 8-Bit-Synthesizer mit seiner abgehackten Perkussivität am Anfang von „Eventually, Everything Connects“ doch eine zur Musik gewordene nervige Radiosendung auf WDR 4, die einen völlig verkatert morgens um acht aus dem Bett posaunt. Dazu eine Gitarre, die sich melodisch wohl noch in der Selbstfindungsphase befindet. Noisige, digitale Windows-98-Fehlermeldungen komplettieren das skurrile Klanggebäude. Daran hat die Eingängigkeit gewohnte Hörerschaft doch erstmal zu beißen. Aber wie der Titel schon sagt: Irgendwann verbindet sich alles.

Das anfängliche Stirnrunzeln beim Hören von „Unbuilding“ weicht nämlich schnell einer begeisterten, gar euphorischen Hingabe zu einem spannenden, teilweise nie gehörten Klanggebräu. Aber der Reihe nach: The Pauses stammen aus Orlando, Florida, und haben mit ihrem Debütalbum „A Cautionary Tale“ zwar einen kleinen Achtungserfolg erzielen können, der große Wurf blieb aber bisher aus. Einerseits lässt sich das vielleicht mit dem doch sehr niedrigen Anbiederungspotenzial ihres experimentellen Synth-Indies erklären, andererseits gönnt man ihnen nach einem Werk wie „Unbuilding“ dann doch die Bekanntheit, die sie sich zweifellos verdient haben.

Das Trio reichert die neun Songs nämlich mit einer wahnwitzigen Fülle an Detailverliebtheit, Hingabe an ausufernde Soundexperimente und grenzenlos kreativem Songwriting an. An der Oberfläche immer poppig, verstört die harte digitale Soundästhetik, verbunden mit virtuos-anarchischem Gitarrenmelodien im Stile von Jonny Greenwood, dann doch erst einmal – nur, um den Schalter für Musik jenseits erdachter Schranken umzulegen. Denn bis auf die intim aufgenommene Rhodes-Ballade „Had / Have“ gleicht jeder Track einer Kaskade an Ideen, die es wohl galt in möglichst wenig Zeit zu pressen. „The Beginnings Of Things“ groovt mit vertracktem Sample-Funk spielerisch nach vorne und erinnert in seiner guten Indie-Laune an das musikalische Kinderzimmer von MGMT. „Heart Of The Steal“ zeigt mit den verrückten, ungesund gut gelaunten Gitarrenarrangements von Multiinstrumentalist Jason Kupfer den Stinkefinger Richtung Eingängigkeit und wird gerade dadurch erst so richtig catchy. Den Höhepunkt erreicht „Unbuilding“ aber mit „The Means“, das von der mysteriös-vertrackten Klangästhetik von Bent Knee in dem wohl ausgefallensten Midtempo-Breakdown der letzten Indie-Jahre explodiert.

The Pauses schaffen das Kunststück, digitaler Synthetik ihre geradezu konstitutive Seelenlosigkeit zu entziehen und sie wie ein weiteres organisches Instrument in ihrem Bandgefüge klingen zu lassen. Dieses lässt in seinem trockenen, grungigen Garage-Sound Erinnerungen an Beach Slang aufkommen. Spielerisch lassen die drei Musikschaffenden die meisten erfolgreichen Bands ihres Schlags aber um Längen hinter sich. Die Vereinigung von Progressivismus und Pop gelingt ihnen dabei meisterhaft, man wünscht sich ob so viel Potenzial aber den konsequenten Schritt in die verkopfte Kunst des Elfenbeinturms, die tief in dieser Musik steckt. So bleibt „Unbuilding“ eine überraschend sprudelnde Quelle an musikalischer Verrücktheit, die einen aber immer etwas zwischen den Stühlen zurücklässt. „I’m digging and I’m digging/Until my head explodes“ singt Frontfrau Tierney Tough in „The Beginnings Of Things“. Ein bisschen Luft nach oben, oder eben nach unten, muss ja auch noch sein.

Fazit

8
Wertung

The Pauses spielen mit ihrem harten, sperrigen Indie-Sound zwischen elektronischem 8-Bit-Chaos, progressiver Pop-Avantgarde und unwiderstehlicher Catchiness mit konservativen Hörgewohnheiten und klingen dabei wie das hyperaktive Kind von Radiohead und MGMT, das auch mit kiloweise Ritalin einfach nicht ruhig zu stellen ist.

Julius Krämer