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Passenger und „Runaway“: Die richtige Sprungtechnik

Das unterbewusste Zusammenbringen der Begriffe „Passenger“ und „Iggy Pop“ ist insofern zuträglich, als dass auch „Runaway“ musikalische Relevanz bietet. Der Quervergleich mit der Ikone ist trotz klanglicher Differenzen nicht anmaßend.

Ein Song vom Kaliber „Let Her Go“, Kassenhit und Klassiker deutscher Radiostationen, hat die Messlatte weit oben angesetzt. Wie soll man es nun schaffen, jene Latte nicht aus ihrer losen Lagerung zu lösen? Wie soll es möglich sein, bisherige Erfolge nicht krachend zu unterbieten? Nun, entweder ausruhen oder die Herausforderung annehmen! Im Hochsprung hat sich seit den 1970er Jahren der „Flop“ als Sprungstil etabliert. Entscheidend ist der Absprung, alles Nachfolgende ist nur noch marginal beeinflussbar. Die Flugkurve ist eng mit der Technik und der Kraft des Absprungs verknüpft. Für „Hell Or High Water“ reicht es als Opener vielleicht nicht wie 1972 zum Olympiasieg (siehe Ulrike Meyfarth), doch der verträumte Akustik-Pop ist dermaßen eingängig, dass er sich hinter dem eingangs erwähnten Über-Hit nicht verstecken muss.
 

„Why Can´t I Change“ bietet Weltschmerz und selbstbezogene Schwermütigkeit. Emotionalität ist definitiv eine prägende Eigenschaft, welche sich durch die gesamte Spielzeit hindurchzieht. Ob es sich in diesem Kontext bei „Heart To Love“ um eine beabsichtigte Wortspielerei handelt, müsste man Michael David Rosenberg wohl persönlich fragen. Feststeht, dass es die Hörerschaft mit einem sommerlichen Pop-Rocker zu tun hat, der geradeweg überzeugt. Die Tonlage und Technik der (E-)Gitarrenparts auf „Let´s Go“ lassen vage Parallelen zu den Dire Straits erkennen. Ein verhältnismäßig lebhaftes Lied, das von einer hohen Schlagrate der Akustikgitarre begleitet wird.
 

Der Mittelteil, das körperliche Überqueren der vorgegebenen Höhe, hängt im Leistungssport von einer herausragenden Technik ab - zumindest, wenn man bisherige Bestmarken überbieten möchte. Dafür wirkt „He Leaves You Cold“ zu blutleer und altvertraut. Auch „Ghosttown“, eine klassische Ballade, ist zu rührselig und offeriert nur ein Mindestmaß an Variation. Auf einer Länge von 05:13 Minuten ist dies zu wenig für das olympische Edelmetall.
Mit „Runaway“ erlebt die Platte einen zweiten Frühling; Albumtitel und das Cover des selbigen sind aufeinander abgestimmt und lassen mithilfe des Titeltracks den großen Aufbruch vermuten. „To Bee Free“ und „Eagle Bear Buffalo“ bremsen den Pioniergeist jedoch postwendend: Standardkost bleibt Standardkost - technisch einwandfreier Umsetzung zum Trotz. Die Landung hat letztlich mit ausgebreiteten Armen und gestreckten Beinen zu erfolgen: „Survivors“ ist ein kompromissbereiter Mittelweg. Eine Mischung aller vorherigen Songs, die sich jeglichen schmerzhaften Fauxpas auf der Turnmatte erspart.
Am Ende verbleibt das Projekt in den sicheren Pfaden der eigenen Erfolge. Iggy Pop wurde 2010 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Um einen ähnlich erfolgreichen Weg (kulturell, nicht finanziell) zu gehen, sollte mehr Mut bewiesen und vielleicht mehr Zeit für die Ideenfindung eingeplant werden. Wettkampftauglich, aber nicht rekordverdächtig.
 

Fazit

6.6
Wertung

Für mich zu wenig für ein echtes Juwel, jedoch gut genug, um nicht den Status eines One-Hit- Wonders aufgedrückt zu bekommen. Ausnahmslos hörbare Materie mit vereinzelten Spitzen.

Marco Kampe
7.3
Wertung

"Runaway" ist ein entspanntes Indie-Folk Album mit einem tollen Arrangement der vielfältigen Instrumente. Garniert mit der grandiosen Stimme von Mike Rosenberg ist die Platte nicht nur für Hintergrundbeschallung geeignet.

Lucio Waßill