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Massendefekt und "Pazifik": Essentielles Update

Massendefekt sind zurück - und wie! Nach dem sehr umstrittenen Vorgänger lassen die Meerbuscher mal wieder von sich hören und bügeln auf „Pazifik“ so ziemlich jeden Kritikpunkt aus, den man von „Echos“ so gehört hat. Sie sind härter und haben deutlich mehr zu sagen!
Massendefekt Pazifik Cover

Gleich der Einstieg ist passabel. Der Titeltrack „Pazifik“ macht genau das, was Massendefekt seit Beginn ihrer Karriere tun. Ihr Punk'n'Roll-Sound hatte zuletzt immer mehr an Punk verloren, was der Band zwar auch gut zu Gesicht stand, jedoch nicht ansatzweise so beliebt war. Und genau so beginnt das Album, textlich bekanntes Territorium: eine verlorene Beziehung. Allerdings ist „Pazifik“ eine Ausnahme auf der Platte. Zwar findet man wieder emotionale Songs, diese sind allerdings in jeder Hinsicht besser - gesanglich, musikalisch und inhaltlich. „Wo ich dich finde“ war die erste Singleauskopplung und die Wahl dafür war sehr weise. Das angespielte Tempo bringt Massendefekt genau dahin wo sie sich am wohlsten fühlen: Tanzbarer Punkrock, oder wie die Band es eben treffend nennt: Punk 'n' Roll. Eher merkwürdig, allerdings liegt das Highlight des Tracks am Schluss, als Sebi und Claus den Refrain im Duett regelrecht schreien. Wahnsinniger Gänsehautmoment. Mal sehen, ob das auf Tour genauso klingt.

Politische Texte von Massendefekt? Gibt's nicht. Doch, jetzt schon, und man fragt sich inständig warum. Zum einen ist das „Menschmaschinen“, ein harter Song über den Verfall von Sitte und Moral und die allgemeine Toleranz dessen, das Ganze in der Massendefekt-typischen Art und Weise. Denn die von Sebi ins Break gebrüllten Zeilen, wie „Ihr tötet nicht in meinem Namen!“ gehen richtig unter die Haut. Zum anderen das rhetorische Meisterwerk „Zwischen Löwen und Lämmern“. Ein Anti-Rechts Feuerwerk, das nicht nur die identitären Marschierer für Heimat und Vaterland angreift, sondern auch jene, die das ganze Spektakel mit Gleichgültigkeit relativieren. Dafür finden sie klare Worte: „Egal ist Heimatliebe, egal ist Schwarz, Weiß, Rot; Egal wie man's auch dreht, egal ist 88.“ Textliche Brillianz, gepaart mit Selbstironie und dem Sound von Kraftklub.

Mit „In/die Hölle“ liefern die Mannen ein absolutes Meisterstück ab. Erst die Irritation, wie schon auf der aktuellen der Rogers, dass der Song irgendwie nach Kraftklub klingt, sich das allerdings schnell als gelungener Gag entpuppt. Spätestens wenn Sebi mit Etepetete-Stimme einsetzt, weiß man was Sache ist. Der selbstironische Text handelt davon, dass man seine Ideale doch lieber im Klo runterspülen sollte um mit Indie durchzustarten, alles in Anlehnung an die eigene Bandgeschichte. Inklusive den Wortspielen: „Dafür kriegst du in die Indie Fresse/ Dafür kommst du in die Indie Hölle“.

Die zweite Singleauskopplung war dann „Schlechter Optimist“. Vorweg: guter Song. Allerdings ein Problem wie schon in „Pazifik“. In der ersten Strophe verstellt Sebi seine Stimme etwas und zieht die Worte so in die Länge, als wollte er zusätzlich melodiös klingen. Das klingt beim ersten Hören fehl am Platz, darüber lässt sich aber locker hinwegsehen, denn erstens unterlässt er das schon sehr schnell wieder und zweitens sind Text und Instrumentals einfach große Klasse. Am Ende stellt sich die große Frage, was besser ist: ein schlechter Optimist oder ein guter Pessimist zu sein. Ein Song, der zum Nachdenken anregt und das auch noch mit Absicht.

Inhaltlich stiehlt hier jeder Song dem anderen die Show. „Glanz der Sonne“ nimmt das schwierige Thema Depressionen auf und macht das auf die absolut perfekte Art und Weise. Wo andere auf Dunkelheit, Trauer und Schwere setzen, konzentrieren Sebi und Co. sich auf Realität und Hoffnung. Und mit erstaunlich hellen Riffs werden hier sehr plastisch mögliche Gedanken von Depressiven geschildert. Sie haben sich da einem verdammt schweren und harten Thema angenommen und ihre Sache absolut perfekt gemacht.

Massendefekt haben mit „Pazifik“ mehrere Schritte nach vorne gemacht und ein jeder davon ist absolut geglückt. Besonders die politischen Texte stehen ihnen sehr gut zu Gesicht. Insgesamt wurden auf diesem Album so viele Songs mit Hymnencharakter gesammelt, dass man gar nicht weiß, was man als erstes für die Tour auswendig lernen soll.

Massendefekt on Tour

Fazit

8.7
Wertung

Ein absolutes Brett! An absolut allem wurde gearbeitet, absolut alles wurde verbessert und das Ergebnis ist ein absolut sensationelles Album, das den Weg in so manche Best-Of-2018-Liste finden wird.

Moritz Zelkowicz
9.3
Wertung

Massendefekt machen bei diesem Album alles richtig. Musikalisch sind die Meerbuscher breiter und bissiger als auf den beiden Vorgängern aufgestellt, während die satte Produktion für den nötigen Wumms im Sound sorgt. Die Zeit der Zurückhaltung scheint vorbei zu sein und das ist verdammt gut so.

Miriam Rhein