King Gizzard & The Lizard Wizard und "Flying Microtonal Banana": Neues Terrain

Fünf Alben wollten King Gizzard & The Lizard Wizard in diesem Jahr veröffentlichen, vier haben sie bis dato geschafft. So gut wie auf diesem ersten Streich werden die australischen Psych-Rocker in 2017 allerdings nicht mehr.

Eigentlich genügt schon ein Blick auf die Bandfotos von King Gizzard & The Lizard Wizard, um grob erahnen zu können, welche musikalische Lebensphilosophie diese Band verfolgt. Die Band besteht aus sieben langhaarigen Nerds, der Körperbau schmächtig, die Babyfaces so unschuldig wie vergnügt. Der Output des Ensembles mit dem obskuren Namen ist ebenso absurd – seit ihrer Gründung im Jahr 2010 haben King Gizzard zwei EPs und zwölf Alben veröffentlicht, vier davon allein in diesem Jahr: „Murder Of The Universe“, ein episches Fantasy-Konzeptalbum in drei Akten, „Sketches Of Brunswick East“, eine smooth-verschachtelte Jazz-Platte, „Polygondwanaland“, das die Band erst jüngst komplett kostenlos unter die Leute brachte – und eben „Flying Microtonal Banana“, das sich bravourös über das westliche Tonsystem hinwegsetzt.

Denn wie der Titel schon verrät, experimentieren King Gizzard hier mit Tönen, die auf der uns bekannten temperierten Skala keinen Platz haben. Im arabischen Raum sind jene mikrotonalen Systeme das Maß, eingebettet in einen Kontext westlichen Psych-Rocks wirken diese Klänge aber – das kann man diesem Fall wohl tatsächlich so behaupten – auf eine bisher noch nie gekannte Weise. Am Anfang ist das sehr befremdlich, da unser Gehör an derartige Intervalle nicht gewohnt sind, und so ist es ein Segen, dass King Gizzard für den Opener von „Flying Microtonal Banana“ das sehr repetitive „Rattlesnake“ gewählt haben, das mehr als genug Raum lässt, um sich den neuen Klängen anzunähern. Und so gleitet man langsam in eine zugegeben sehr weirde, aber gerade deswegen so phänomenale Welt ab. Spätestens, wenn in besagtem Opener die Zurna einsetzt, ein Instrument, das in der arabischen Volksmusik seinen Ursprung hat, stellt man fest, wie unglaublich gut dieser Tonraum den Psych-Räuschen der Band zu Gesicht steht.

Denn ja, auch ganz abgesehen von den verkopften Klang-Experimenten, die Harry Partch mit Sicherheit ein verschmitztes Grinsen ins Gesicht gezaubert hätten, ist „Flying Microtonal Banana“ tatsächlich ein überaus mitreißender Trip. „Doom City“ tänzelt mit fantastisch groovenden Rhythmus-Wechseln, „Billabong Valley“ wird mit Saloon-Piano und großem Chorus geradezu hymnisch, „Melting“ zappelt beinahe funkig. Die erweiterte Skalierung verleiht King Gizzards Sound eine geradezu hypnotische Wirkung, die sich gerade in peitschend-keifenden Songs wie „Open Water“ zeigt. Das alles bleibt trotzdem erstaunlich zugänglich, weil sich die Australier für die Rahmen-Konstrukte ihrer Kompositionen eben doch ganz gewöhnlich Dur-Moll-Verbindungen zur Vorlage nehmen.

Ein fantastisches Konzept, das so gut aufgeht wie in keinem der anderen King-Gizzard-Alben in diesem Jahr. Doch wer weiß, was da noch auf uns zukommen mag. 15 Tage haben die Australier nach dem heutigen Stand noch, um ihr fünftes Album in diesem Jahr zu veröffentlichen. Die ersten zwei Singles gibt es bereits…

Fazit

7.9
Wertung

Um unsere von Spotify-Übermacht und Dauer-Beschallung malträtierten Ohren noch irgendwie zu überraschen, benötigt es schon einiges an Kreativität. King Gizzard & The Lizard Wizard schaffen das, indem sie mal eben unser gewohntes Tonsystem aushebeln. Das Ergebnis ist schlichtweg grandios.

Jakob Uhlig