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Juse Ju und "Shibuya Crossing" – Über sich selbst und Andere

Auch der Deutschrap hat seine Indieszene. Neben den Durchstartern Fatoni oder der Antilopen Gang, sind da aber auch die, die sich gerade aus dem Untergrund zu befreien versuchen. Wie Edgar Wasser, oder eben Juse Ju, mit seinem ersten Longplayer „Shibuya Crossing“.

Ja, abseits von Alligatoah, Casper oder Farid Bang gibt es noch andere Strömungen im deutschen Rap. Juse Ju nimmt sich aus jeder dieser unterschiedlichen Stilrichtungen heraus, was ihm gerade in den Sinn kommt.
 „Kirchheim Horizont“ macht das schon von Beginn an klar. Es ist die gewünschte Rückkehr eines Weltenbummlers. Allerdings entzieht sich dieser „Heimat-Hood“-Track den gängigen Klischees. Weder wird Kirchheim als Ghetto dargestellt, noch als pseudo-perfekt oder als Hipsterville glorifiziert. Stattdessen kommen da authentische Lines und Beschreibungen und wirkt dadurch sehr real und greifbar.

Realistisch und ehrlich: Das beschreibt Juse Ju und sein Album wahrscheinlich auch am Besten. Er erzählt viel von sich selbst, aber auch viel von dem, was um ihn herum passiert. „Propaganda“ mit Danger Dan von der Antilopen Gang als Featuregast ist eine dieser Tracks, der auch sehr viel Zeitgeist in sich trägt. Ein Song darüber, wie manche Bürger mit der Meinungsfreiheit und eben anderen Meinungen umgehen. Dann wird eben die Meinung von Andersdenkenden als Propaganda abgestempelt oder mit Hitler verglichen. Juse Ju fängt da ein ziemlich gutes Bild ein. Das ganze überspitzt und textlich einfach wunderbar zynisch. 
Diesen Zynismus zelebriert er in „Lovesongs“ gleich nochmal. Um die romantischen Chart-Rapper zu kritisieren, mimt er einen von ihnen und rappt tiefe emotionale über sie selbst, stilecht auf Autotune. Ein erhobener Mittelfinger gegen den zielgruppengerechten Pathos, der in den Charts schon zu einem widerlichen Klischee verkommen ist. Aber das sind eben die Charts, es wird Musik gemacht für den kleinsten Gemeinsamen Nenner.
Dem entzieht sich Juse Ju. In „Fake It, 'Till You Make It“ spielt er eher den Größenwahnsinnigen, auch wie andere Szenemitstreiter. Die ersten Zeilen bringen den Track perfekt auf den Punkt:

„Diesen Sommer, da schlägt meine Festivalstunde
ich werf‘ da jetzt einfach mal Splash in die Runde
Universal hat auch schon Interesse bekundet
Ich spiel‘ keine Gigs unter sechs, siebenhundert“ 

Aber er baut nicht nur auf Bashing und Battlen. Auch der biografische Einstieg wird fortgesetzt. „Shibuya Crossing“, benannt nach der berühmten Kreuzung in Tokio, ist der Titeltrack der Platte. Geboren in Deutschland u d aufgewachsen in Japan rappt Juse Ju vom Leben mit seinem Bruder und seiner Familie mitten in Asien. Unterlegt von einem verträumten Beat rappt Juse eine Geschichte von Angst, Mut, Aufbruch und Nostalgie und präsentiert wieder eine andere Seite des Rappers.
Den Abschluss findet das Album im durchgeknallten, aber charmanten „Cloudrap“. Abgehoben, auf Wolke sieben im “Raphimmel”, entzieht er sich dem Boden der Tatsachen und macht was immer er will.

Juse Ju vermischt seine absolut interessante Biografie, mit regelrechten Battletracks gegen die Szene, aber auch die Gesellschaft. Naja und Spaß hat er auch. Einerseits mag sich der rote Faden vielleicht selbst ein Wenig verfangen, durch die Themen in der Platte, allerdings ist das was am Ende vor einem liegt, ein handliches Knäuel, fantastischsten deutschen Rap, dass sich eben durch diese Vielseitigkeit vom Rest der Szene abhebt.
 

Fazit

8.1
Wertung

Zu selten findet man Rapper die was zu sagen haben. Und wenn sie mal tatsächlich was zu sagen oder erzählen haben, kann man einfach, ob deren Belanglosigkeit, nicht zuhören. Anders bei Juse, er fesselt einen mit seiner Geschichte, bringt einen zum lachen, dann aber auch wieder zum Nachdenken. Das, meine Liebe Rapszene, werdet ihr nur sehr schwer toppen können.  

Moritz Zelkowicz