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„Das nullte Kapitel“: ähnlich, aber anders – Käptn Peng & die Tentakel von Delphi mit Charakterwandel

Schon 2012 hörte man bei „Die Zähmung der Hydra“ die lyrische Ästhetik - versinnbildlichter Wahnsinn gemischt mit Genie. Mit „Expedition ins O“ konnte Käptn Peng mit seiner Band Die Tentakel von Delphi dann in musikalische Universen reisen, welche sich weit weg vom Pop-Kosmos befinden. Nun erscheint „Das Nullte Kapitel“ und man merkt schnell, dass die Platte einen anderen Weg eingeschlagen hat.
Käptn Peng Das nullte Kapitel Cover

Das Album beginnt mit einem Intro, bei dem Robert Gwisdek, so Käptn Pengs bürgerlicher Name, uns erklärt, wie die Suche nach dem nullten Kapitel begann. Kurz darauf merkt man schon eine Stärke des Albums. Die geballte Energie des Liedes „Spiegelkabinett“ ist gleichzeitig auch ein Eindruck auf die noch kommende Gedankenwelt Käptn Pengs. Wie schon beim Vorgänger werden verwirrende Wortspiele benutzt, welche einem am Ende oftmals ins Staunen oder auch zum Lachen bringen. Man merkt aber schnell, dass es um andere Themen geht. Die Texte sind nicht mehr rein auf die inneren Gedanken ausgelegt. Viele Themen handeln mehr davon, wie man etwas erlebt. Das Album ist alltagsbezogener, was wohl eine breitere Masse an Menschen ansprechen wird. Gerade bei „Meister und Idiot“ und „Gelernt“, wie aber auch bei „Pi“, kann man selbst auf eigene Erfahrungen zurückblicken. Das Erwachsenwerden spielt hier eine große Rolle. Sowohl Schule, Ausbildung oder Studium, als auch eben das private Leben sind Thema.

Musikalisch hat sich das Album an gewissen Stellen definitiv deutlich gewandelt. Während die bisherigen Tonträger eher so klangen, als wäre jedes Lied gemeinsam als Band in einem Raum mit einem Mikrofon aufgenommen wurden, besitzt „Das Nullte Kapitel“ einen füllenden Klang. Es klingt alles perfekt, was so ein bisschen das Natürliche und Verträumte aus dem Album heraus nimmt. Dennoch merkt man die unglaubliche Kreativität der Tentakel von Delphi. Sie zeichnen sich mit unzähligen Instrumenten und spielerischer Freiheit gerade bei Songs wie „Backpfeifenernte auf dem Alphabeet“, „Todesbossa“ oder „Im Labyrinth“ aus. Gerade bei Letzterem zeigt die Musik ihre gesamte Kraft und Verrücktheith. Und genau das macht die Platte aus. Die Refrains sind oftmals sehr gut tanzbar, und die einzelnen Parts haben so packende Rhythmen, dass man keinesfalls abschaltet.

Eine andere musikalische Seite von Käptn Peng & die Tentakel von Delphi erlebt man definitiv bei „Tier“ und „Pförtner“. Zum Nachdenken anregend waren die Texte des Berliners schon immer. Nun zeigt sich, dass auch ruhigere und emotionalere Melodien zu den Texten sehr gut passen. Das macht auch den unglaublich vielschichtigen und interessanten Mix der Platte aus. Man wird aber nicht durch jede Schicht einzeln gepresst, sondern hüpft von einer zur anderen. Kein Lied klingt wie das vorherige, egal wie man die Lieder hört. Selbst etwas härter kann das Album werden, hört man sich „Tango im Treibsand“ an. So pressen die Gitarren gemeinsam mit der Stimme die Erinnerungen an eine ehemalige Liebe aus des Protagonisten der Geschichte heraus.

Trotz unglaublich brillanter Musik punkten am Ende aber doch die meisten Lieder gerade durch den Text. Die große Eigenschaft eines Robert Gwisdek ist es, sich alltäglich auftretende Dinge zu schnappen und um sie herum eine neue Welt aus unendlichen Gehirnströmen zu bauen. Bei „ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ“ ist es das Natürlichste für fast jeden. Wörter bilden den Rahmen, das Alphabet sprengt ihn. Es klingt nach viel Gesellschaftskritik, welche man dem Album in vielen Fällen wirklich anhört. „MC HomoSapiensSapiens“, „Neue Freunde“ und „WobWobWob“ sind ebenfalls durch kritische Blicke auf Verhaltensweisen vieler Menschen stark geprägt.

„Das Nullte Kapitel“ enthält definitiv viele Unterpunkte. Doch auch einige Kritikpunkte sind nicht zu verachten. Das Album nutzt die schon dagewesenen Mittel nicht so ausgiebig wie noch bei „Expedition ins O“ und auch textlich fällt einem nach dem Durchhören auf, dass es nicht ganz an die Genialität und Vielfalt mit der dazukommenden Tiefe in den Themen erreicht. Dafür kann man Käptn Peng aber besser folgen. Die Platte ist definitiv einfacher zu verstehen als ihre Vorgänger. Doch nun herrscht nicht mehr diese wahnsinnige Fantasie. Lebensbezogene Themen rücken in den Vordergrund. Das macht die Platte aber nicht schlechter. Dem Album „Das Nullte Kapitel“ könnte es definitiv gelingen, in mehr Ohren nachts um 01:27 Uhr zu erklingen.

Fazit

8.3
Wertung

Es ist eben schon Käptn Peng & die Tentakel von Delphi, doch irgendwie auch nicht. Der Sound der Band klingt so vertraut, ist aber irgendwie nicht das, was ich gewohnt bin. Mir gefällt dieses Experiment wirklich gut, nur fehlt mir persönlich so eine Art „Monster“/„Parantatatam“.

Ole Lange
8.5
Wertung

Dieses Album ist purer Mindfuck. Da drin sind Geschichten mit mehr Metaebenen als ein gesundes Gehirn erfassen kann. Dabei ist aber alles so absurd, subtil, komplex und simpel verpackt, dass es mich musikalisch und lyrisch völlig fasziniert. Ich bin verwirrt und begeistert.  

Miriam Rhein