Clueso und „Handgepäck I“: Melancholie pur

Mal etwas ganz Anderes: Eine Sammlung von Songs, die unterwegs entstand, über Jahre hinweg. Clueso nimmt seine Hörerschaft mit auf eine ganz persönliche Reise.

Handgepäck. Am Beginn der Reise meist noch wenig, doch die Tasche wird mit der Zeit immer schwerer. Während andere Souvenirs und Krimskrams von unterwegs mitbringen, kommt Clueso mit neuen Songs nach Hause. 18 davon hat er jetzt als sein neues Album veröffentlicht: „Handgepäck I“. Geschrieben hat er sie auf seinen Reisen. So sind auf seinem achten Album also Songs aus mehreren Jahren versammelt. Eines ist ihnen gemein: Sie sind akustisch, mit einfacheren Mitteln unterwegs aufgenommen, etwas nachbearbeitet. Da kommt es mal vor, dass die Aufnahme minimal rauscht oder etwas Atmosphäre zu hören ist.

Neben Cluesos Stimme und seiner Akustikgitarre tauchen oft Streicher auf. Sie geben „Handgepäck I“ Melancholie. Eine Menge Melancholie. Daran ist aber auch Cluesos Stimme nicht ganz unschuldig. Egal, worüber er gerade singt - meistens klingt seine Stimme einfach nur melancholisch, traurig oder sogar lustlos  ̶  oder einfach nur verträumt? Ein bisschen getrommelter Rhythmus („Einfache Fahrt“, „Kurz vor Abflug“) oder Blasinstrumente („Du und Ich“) können daran nicht viel ändern. Sie sorgen für Abwechslung, aber die melancholische Stimmung der Platte bleibt. Dass die Songs zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten geschrieben wurden, fällt kaum auf, klingen sie doch alle recht ähnlich.

Gezupfte Gitarrenmelodien, mal etwas lebendiger, meistens eher ruhig, Texte übers Nach-Hause-Kommen oder Silvester in Paris und Cluesos Stimme, die ganz nah kommt: Das macht „Handgepäck I“ aus. Entgegen der Erwartung geht es gar nicht in allen Songs ums Reisen und Unterwegs-Sein, zumindest nicht auf den ersten Blick. Geschrieben hat Clueso die Songs mal in Neuseeland („Wie versprochen“), auf Tour mit Udo Lindenberg („Zimmer 102“) oder nach seinem ersten Headliner-Auftritt bei einem großen Festival („Paris“). Sie dokumentieren seine Gedanken, Gefühle, Erinnerungen. Das macht „Handgepäck I“ zu einem sehr persönlichen Album, was sich neben den Texten auch in der Musik widerspiegelt.

Der Sound ist irgendwie vertraut, aber irgendwie auch ganz neu. Mit „Achterbahn“, dem Hit des Vorgängeralbums, hat „Handgepäck I“ nicht mehr viel zu tun. Ist das überhaupt noch Pop? Viel eher zeigt der Sänger seine Liedermacher-Qualitäten. Typische Radiohits bietet Cluesos Neuling schon einmal nicht. Dafür sind auch mal Instrumentalstücke zu finden („Aufbruch“, „Zwischenstopp“). Clueso kommt ganz nah, seine Stimme steht meist im Vordergrund. Abgesehen von seiner Gitarre sind die anderen Instrumente eher im Hintergrund und dienen als Begleitung.

„Handgepäck I“ ist eher eine Genießerplatte als eine Hit-Sammlung. Das Album lädt zum Träumen vom Reisen und zum Entspannen ein. Es ist kein typisches Clueso-Album, sondern eher etwas Anderes, etwas Neues.

Fazit

6
Wertung

Clueso hat mich ganz schön überrascht. Bin ich eher ein Radio-Clueso-Fan, der ab und zu mal ins bisher aktuelle Album reinhört, habe ich nicht mit solch ruhiger, melancholischer Musik gerechnet. Mir fehlt ein bisschen der „Pepp“, wie man so sagt. Nicht alle, aber manche Handgepäck-Songs hätten das schon vertragen. Alles in allem aber ein schönes Album, das ich mehrere Male hören musste, um mich damit anzufreunden. Nach wie vor genieße ich es aber lieber in kleinen Häppchen und nicht alle 18 Stücke auf einmal.

Lara Teschers