Beyond The Black und „Heart Of The Hurricane“: Neues aus der Retorte

Image-Probleme in der Metalszene, plötzlicher Ausstieg aller Musiker und dennoch immer erfolgreicher – das ist die kuriose Bilanz der letzten Bandjahre von Beyond The Black. Ebenso kuriose Momente weist auch ihr neustes Werk „Heart Of The Hurricane“ auf.
Beyond The Black Heart Of The Hurricane

Beyond The Black tun sich schwer mit ihrem Image. Als Retorten-Band verschrien verließen 2016, zwei Jahre nach der Gründung, alle Musiker kollektiv die Band, Sängerin Jennifer Haben blieb und hatte noch im gleichen Jahr neue Bangmitglieder am Start. Live eroberte das neue Kollektiv bereits unter anderem die Bühne des Wacken Open Airs, nun folgt die Feuertaufe im Studio.

Die ersten Töne überraschen: Ungewöhnlich hart für die Mühlheimer Band klingen die ersten Riffs vom Opener „Hysteria“, fast so als wäre er ihnen nicht ganz auf den Leib geschrieben worden. Exakt. Denn ganz unbestreitbar ähnlich klang bereits 2004 der Opener vom Album „Hellfire Club“ von der Power-Metal-Band Edguy mit dem leicht zu verwechselnden Titel „Mysteria“. Ein Schelm, wer Beyond The Black da Böses unterstellt. Tatsächlich hat der Produzent beider Alben, Sascha Paeth (Edguy, Avantasia, Epica), wohl ein bisschen zu tief in der eigenen Trickkiste gegraben.

Leider vermasselt er damit für Kenner den so wichtigen ersten Eindruck. „Hysteria“ ist dennoch – oder gerade deswegen – eine sichere Nummer, die dank des melodischen und simplen Refrains die Auszeichnung für den Ohrwurm des Albums erhält. Auch die darauffolgende erste Singleauskopplung „Heart Of The Hurricane“ folgt solide diesem Schema: satte, treibende Riffs, eingehende Melodie und stark ausgespielte Stimme von Sängerin Jennifer Haben. Das erste Drittel bleibt recht glattgebügelt, ein wenig berechnend, aber absolut stimmig für eine Hörerschaft, die Gefallen an am Mainstream grenzendem, großem Symphonic Metal hat.

Danach kommt die Platte ins Stolpern. Die gelungenen Intros, die bisher so gut von Gitarren und/oder starken Stimmen getragen wurden, ersetzt man plötzlich in „Song For The Godless“ mit einem Trommelspiel, das man so von der Hintergrundbeschallung des Afrika-Themenbereichs im Phantasialand kennt, nur um das Ganze mit Dudelsäcken weiter ad absurdum zu führen. An diesem Möchtegern-Mittelalter-Song stimmt bis auf ein wirklich grandioses Gitarrensolo im letzten Drittel gar nichts. Im Albumkontext übernimmt dieser Titel nur die Rolle des berüchtigten Stolpersteins, mit dem man sich hier ordentlich auf die Nase gelegt hat.

Dieser Song ist symptomatisch für weitere Ausbrecher wie „Beneath A Blackened Sky“ und „Echo From The Past“, wo man offensichtlich mit Trommeln, Dudelsäcken und Chören viel zu viel wollte. Dabei braucht es wirklich nur die Basics der Band, der Sascha Paeth – geklaut oder nicht geklaut – einen bombastischen Sound verleiht. Der Kampf bei „Scream For Me“ zwischen Jennifer Habens zarter Stimme und den Growls ihrer Sänger machen so die gutturalen Vocals leicht zugänglich.

Unter eingefleischten Metalheads wird dieses Album für Beyond The Black sicherlich keine große Imageverbesserung herbeizaubern. Für die große Masse hingegen, die ganz offensichtlich auch Zielgruppe von „Heart Of The Hurricane“ ist, kann dieses Album trotz den genannten Mankos eine bessere Alternative zu Nightwish & Co sein.

Fazit

6.3
Wertung

„Heart Of The Hurricane“ hat Vieles, das mich positiv überrascht hat: herausragende Gitarren-Soli, cooles Drum Play und eine durchweg starke Jennifer Haben. Was allerdings diese missglückten Experimente sollen, wenn das Grundgerüst der Band schon so viel hergibt, ist mir unverständlich.

Miriam Rhein
6.9
Wertung

Der vorauseilende Ruf als Retorten-Produkt wiegt schwer; doch räumt man „Heart Of The Hurricane“ eine Chance ein, wird diese mit melodiösen Stücken zwischen Nightwish und Oonagh auch wahrgenommen. Ein kurzweiliges Album für die zartbesaitete Metal-Abwechslung.

Marco Kampe