Annihilator und „For The Demented“: Das Spiel mit den (bekannten) Grenzen

Annihilator gehören mittlerweile zu den Urgesteinen des Thrash-Metals und sind auch auf ihrem nun 16. Album in der Lage, genau diesem Ruf gerecht zu werden. Warum sie sich trotzdem so oft an verbrauchtem Material vergreifen, bleibt ein Rätsel.

Mit „Twisted Lobotomy“ fällt der Startschuss zu einem feuchten Traum für alle Liebhaber des brutalen Stakkato-Riffs, untermalt mit dröhnender Double Bass. Und weil das so formidabel klingt, wird diesem Pärchen auch ordentlich Zeit und Raum zur Entfaltung gelassen. Ein Thrash-Metal-Track wie aus dem Bilderbuch. Auch die beiden Folge-Songs knüpfen an das stetige Geknüppel an. Während „One To Kill“ seine Stärken im verqueren Gitarrengeschrammel beweist, beeindruckt „For The Demented“ mit einem Sack voll unerwarteter Sound-Twists: Den Anfang von Eminems „Lose Yourself“ geklaut, wird es zum ersten Mal fast punkig und endet bei klassischen Metal-Riffs hinten raus. Langweile? Keine Chance.

Zumindest bis dahin nicht. Bei „Pieces of You“ sieht es plötzlich anders aus. Statt einen weiteren Annihilator-Song präsentiert zu bekommen, folgt eine astreine Metallica-Ballade, bei der man sich plötzlich nicht mehr sicher ist, ob hier nicht James Hetfield persönlich am Mikro stand. Zu vorhersehbar und zu ausgelutscht kommt der ruhigste Track daher.

Danach kehrt das Böse zwar wieder in den Sound, aber Waters hat das Singen kurzzeitig für sinnlos erklärt und redet einfach über den Beat hinweg. Auf einem Konzert von den Ärzten würde man ein dezentes „Halt’s Maul und spiel!“ vernehmen, ich an dieser Stelle wünsche mir ganz bescheiden mehr Gesang und weniger Monolog. Danke!

Nach dem 2-Song-Tief geht es aber wieder bergauf und Waters und seine Schergen besinnen sich wieder auf das, was sie können: Thrash an all seine Grenzen bringen. Ein bisschen 80s-Hall in „Phantom Asylum“, eine Spur zu viel Pop Punk sowie ein altbekanntes Riff in „The Way“ und ein ansehnliches Bass-Solo im Rausschmeißer „Not All There“.

Annihilator sind wandelbar und dehnen ihr Genre unkonventionell weit aus. Gleichzeitig torpedieren sie diesen Eindruck allerdings, indem sie gelegentlich mal zu viel vom Nachbarn abgeschrieben haben. Dabei ist der Opener ein handfester Beleg dafür, dass es nicht an eigenem Ideenreichtum mangelt.

Fazit

6.8
Wertung

Wenn ich auf eines bei Songs/Alben allergisch reagiere, dann ist es das Damokles-Schwert der Frage: „Wo habe ich das schon einmal gehört?“. Wer damit leben kann, bekommt hier ein interessantes und breitgefächertes Thrash-Metal-Album.  

Miriam Rhein