Punk in der DDR: Musikalischer Widerstand

Die DDR und ihr totalitäres System gehören seit 30 Jahren der Vergangenheit an. Über 41 Jahre hinweg regierte die SED hinter der Mauer, Kontrolle war das alles überschattende Stichwort. Und dass Punk da, als sich nicht anpassende Jugendkultur, überhaupt nicht reinpasste, dürfte klar sein. Umso interessanter ist also die Punkbewegung, die sich trotz allen Gegenwinds in der DDR entwickelte.

Es gibt auch heute noch keine wirklich klare Definition von Punk – und die war in der Anfangszeit noch verschwommener. Klar ist, dass die Punkbewegung in den 70ern in Großbritannien entstand und die ganze Jugendkultur des Westens schnell prägte. 1979 kam der Punk schließlich auch im totalitären System der DDR an. Westliche Punkplatten wurden sich beispielsweise über Großeltern beschafft, denn Rentner*innen durften in den Westen reisen.

Wie im Westen auch blieb Punk bis Anfang der 80er eher eine Untergrundkultur und bekam wenig Aufmerksamkeit seitens des DDR-Regimes. Ab 1981, als das erste Mal Punks aufgrund ihres Aussehens festgenommen und verhört wurden, rutschte die Punkszene ins Visier der Stasi und der Politik – Punk stand schließlich für ein westliches Symbol von Widerstand, Aufstand und Revolution. Diese Werte durften in der DDR nicht existieren und erst recht nicht an die breite Öffentlichkeit gelangen. Die Stasi platzierte dementsprechend Spitzel, die sogenannten IMs (Inoffizielle Mitarbeiter) in der Szene und warb junge Punks für diese Posten an. So gelang es ihnen sogar, IMs in einigen der Punkbands einzusetzen und so einen noch klareren Blick in die Szene zu erlangen. 1983 wurde mit etwa 900 Punks in der DDR gerechnet, davon 400 allein in Ostberlin.

Die meisten Punks definierten sich auch optisch klar als solche, ob über die typischen bunt gefärbten und aufwendig gestylten Haare oder über die mit anarchistischen Sprüchen und Symbolen bemalten Jacken. Auch dadurch war die Szene anfangs klar kontrollierbar und überschaubar, sie entwickelte sich jedoch in eine Bandbreite an Subkulturen und war dementsprechend noch schwerer zu überblicken. Es folgten massive Restriktionen und Versuche jene Punks, die als asozial, gewalttätig und kriminell galten, zu kontrollieren. Von Strafbefehlen über den Zwangseinzug ins Militär bis hin zu Inhaftierungen wurde mit allen Mitteln versucht, die Szene klein zu halten. A 1982 wurden Akten und Karteien über Punks angelegt. Auftrittsverbote wurden umgangen, indem kirchliche Sozialarbeiter*innen die Bands unter dem Deckmantel von beispielsweise „Evangelischen Jugendabenden“ auftreten ließen – die Kirche war für das DDR-Regime kaum antastbar. Die erste kirchliche Einrichtung, die ein Punk-Festival mit 250 Gästen veranstaltete, war die Christus-Kirche in Halle, ihr folgten bis 1986 15 weitere Kirchen.

Ein gutes Beispiel für den Umgang der Stasi mit der Szene ist die Leipziger Band Wutanfall. Wie viele andere junge Bands wurden sie durch die Stasi massiv drangsaliert und sogar physisch bedroht und angegangen. Wutanfall gründeten sich 1981 und die drei Jungs mit den Decknamen „Chaos“, „Rotz“ und „Typhus“ schafften es mit ihrer Musik immer mehr Zuschauer anzulocken und zu begeistern. Sänger Chaos wurde 1981 in Verhören durch die Stasi mit den Druckmitteln Führerscheinentzug, Wohnungsverweigerung und dem Ende seiner beruflichen Karriere massiv eingeschüchtert. Nach einiger personeller Rotation in der Band ergänzten ab Anfang 1982 „Imad“ und „Zappa“ die Gruppe – die sich 1983 als Informanten der Staatssicherheit entpuppten. Der Auftrag: Die Band von innen zerschlagen, etwa durch unauffällige Auftrittsverweigerung. Doch mit diesem Vertrauensbruch nicht genug. Im Februar 1983 begannen die brutalen Repressionen gegen den Rest von Wutanfall, vor allem gegen Chaos. Er wird immer mal wieder inhaftiert, stundenlang bis zu viermal die Woche verhört und schließlich mit einem Sack über dem Kopf in Handschellen in ein Waldstück gebracht und dort von drei Stasi-Beamten verprügelt. Obwohl er Ende 1983 aus der Band und damit auch aus der Szene aussteigt, wird er weiter drangsaliert. Ihm wird der Personalausweis abgenommen und er darf ab Mitte der 1980er Leipzig nicht mehr verlassen. Dieser harte Umgang mit Punks war kein Einzelfall. Der Druck auf die Szene wurde so groß, dass sich einige junge Punks sogar das Leben nahmen.

Trotzdem erkannte das Regime die Macht, die die Punkszene auf die Jugend hatte und versuchte, sie nicht nur durch Gewalt und Repressionen zu vereinnahmen, sondern vor allem später auch durch Integration. Das Jugendradio „DT 64“ spielte ab 1986 alternative Bands, ab 1988 gab es die ersten Plattenaufnahmen in Studios und über das DDR-Label AMIGA veröffentlichte Alben. Doch der Kern der Szene radikalisierte sich und distanzierte sich von den „verweichlichten“, durch die Förderinstanzen des Staates eingenommenen Bands und Fans. Während Punk im Westen Parolen wie „No Future“ prägte, obwohl die Jugendlichen und jungen Erwachsenen (fast) jede Freiheit hatten, gab es unter dem DDR-Regime für die Ost-Punks tatsächlich keine Zukunft, weshalb die Tragweite der Songtexte und des Lebensgefühls in der Szene viel tiefer ging.

Punks haben sicherlich nicht alleine den Untergang der DDR herbeigeführt – aber dennoch einen wichtigen Teil zum Bröckeln des Systems beigetragen.