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Was Corona für Konzertlocations bedeutet

„Wir sind als Erste ausgeschaltet worden und werden als Letzte wieder funktionieren.“ Die Corona-Krise betrifft unweigerlich alle. Doch die Eventszene mit allen Beteiligten hat es besonders schwer getroffen. Aus diesem Grund haben wir das Gespräch mit verschiedenen Locations in Bayern und Thüringen gesucht.

Aufgrund der Corona-Krise dürfen schon seit dem 10. März keine Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmenden stattfinden. Die Maßnahmen wurden Schritt für Schritt verstärkt und haben das öffentliche Leben immer strenger eingeschränkt. Mittlerweile sind wir am Punkt der Ausgangsbeschränkungen und Versammlungsverbote von mehr als zwei Personen.

Locations zu kontaktieren war durch die verringerte Büropräsenz der Veranstaltenden relativ schwierig. Und auch von denen, die wir erreichen konnten, wurde mitgeteilt, dass gerade das Umbuchen und Absagen der geplanten Veranstaltungen ein wahnsinniger organisatorischer Aufwand ist, der viel Zeit in Anspruch nimmt.  Bei den Locations, die uns Rede und Antwort standen, ist eigentlich jede Größenordnung vertreten. Das Backstage in München als größter Veranstaltungsort der ausgewählten Locations mit drei Räumlichkeiten und Biergarten muss nach aktuellem Stand etwa 120 Konzerte bis Mitte April absagen - andere Veranstaltungen nicht mit einberechnet. Der Zeitraum war der bestgebuchteste Monat.

Größentechnisch das Gegenteil stellt die Luise – The Cultfactory dar, eine Jugendkultureinrichtung in Nürnberg. Dennoch treffen auch hier die Maßnahmen alle Beteiligten schwer. Zwölf Konzerte, einige Workshops und andere Angebote mussten bisher abgesagt werden, zusätzlich gilt für die ganze Location ein Betretungsverbot, weshalb beispielsweise auch vermietete Probenräume früh geschlossen werden mussten.

In der Mitte der Locationgrößen angesiedelt sind das Kassablanca in Jena und das Franz Mehlhose in Erfurt. Während das Franz Mehlhose neben den Veranstaltungen noch ein Restaurant betreibt (das aber aktuell natürlich auch geschlossen ist), ist das Kassablanca - vom Barbetrieb abgesehen - eine reine Eventlocation. Im Franz Mehlhose sind von Mitte März bis Mitte April zehn Veranstaltungen abgesagt worden, aber auch für Ende April und Mai sind die Auswirkungen bereits zu spüren – vor allem ausländische Künstler*innen haben ihre Shows durch die nicht planbaren Einreiserestriktionen schon abgesagt. Das Kassablanca hat aktuell einen Ausfall von 28 Veranstaltungen und den Verlust von 8100 Besuchern zu beklagen, was einem Umsatzausfall von insgesamt 85.000 Euro alleine an Eintrittsgeldern entspricht. Die fehlenden Einnahmen aus dem Barbetrieb und die trotzdem anfallenden Personal- und Fixkosten sind da noch gar nicht mit drin. Die gesamte Jenaer Clubszene verbucht für die entfallenen Veranstaltungen 27.000 erwartete Besucher in acht Locations, die jetzt einen Umsatzausfall von knapp 321.000 Euro (Eintrittskosten) verursachen. Das alles bisher nur bis Mitte April – und keiner weiß, wie lange die Maßnahmen aufrechterhalten werden müssen. Auch Aushilfen, die normalerweise die Bar oder Garderobe betreiben oder den Einlass machen, haben aktuell keine Arbeit und sind in der Regel keine Festangestellten.

Alle Locations halten die Maßnahmen dennoch für absolut angemessen und sehen keine Alternative. Die Betreiber des Franz Mehlhose sortieren auch die Ungewissheit und die fehlende Planungssicherheit als gravierender als den aktuellen Umsatzausfall ein. Keine der Locations hat zum Zeitpunkt der Gespräche den 19. April als Ende der lockeren Maßnahmen für realistisch gehalten. Hiermit lagen sie durch die inzwischen aktualisierte Lage mit den noch strikteren Vorschriften und der Verlängerung ebendieser bis mindestens 19. April schon richtig. Ob wenigstens dieses Datum eingehalten wird, ist aber weiterhin ungewiss bis unwahrscheinlich.

Auch über die Festivalsaison dieses Sommers sind sich die Betreiber*Innen der Locations einig. Keine hält das Stattfinden der großen Festivals für realistisch, auch wenn die Restriktionen bis dahin gelockert werden sollten. Schließlich müssten die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen und unter aktuellen Bedingungen überlegen sich die Organisator*innen sicherlich, ob sie Bauzäune, Dixies oder Generatoren buchen und damit das Risiko eingehen, auf noch höheren Kosten sitzen zu bleiben. Dazu kommt, dass die Sensibilisierung vor Massenveranstaltungen und Menschenmengen eventuell in den Köpfen der Menschen noch länger anhält und auch wieder stattfindende Veranstaltungen trotzdem gemieden werden, zumindest war das die Einschätzung der Veranstalter.

Als Fazit haben alle angebracht, dass die ganze Situation natürlich eine Katastrophe für die gesamte Veranstaltungsbranche ist, ob Künstler*innen, Techniker*innen, Booking Agenturen, Locations oder sonstige Mitglieder dieser Branche. Dennoch ist das Retten von Menschenleben aktuell einfach relevanter, weshalb die Maßnahmen auch angemessen sind und wir als Besucher*innen eben ein paar Monate auf Konzerte und Festivals verzichten müssen.

Unterstützen kann man die Betroffenen in der Veranstaltungsbranche (und auch allen anderen Bereichen) trotzdem – ob man sich Gutscheine der Locations zulegt, Solitickets kauft (für die Jenaer Clubszene beispielsweise über www.TixForGigs.com), Tickets für noch nicht abgesagte Konzerte oder Festivals kauft (im Fall des Entfallens bekommt man das Geld selbstverständlich zurück) oder bei Crowdfundings wie unter www.handforahand.de spendet.

Das weiterhin Wichtigste und Einfachste (wenn ihr nicht arbeiten müsst, natürlich) ist immer noch, einfach Zuhause zu bleiben. Hört Musik, schaut Livestream-Konzerte, schaut euch alte Konzertvideos an, nutzt die Online-Angebote der Locations und freut euch auf den Herbst und nächstes Jahr, wo viele Konzerte nachgeholt werden und wir alle wieder gemeinsam feiern können.