Niels Jahresrückblick 2019

Während die Lieblingsbands aus meinen Teenager-Tagen wie Blink-182 heutzutage scheußliche Musik wie das Album „Nine“ produzieren, bin ich immer auf der Suche nach neuen Bands. Zu meiner Überraschung gibt es eine neue junge Generation an Musikern und Musikerinnen, die die alten Legenden in Sachen Innovation und Songwriting in den Schatten stellen.

Album des Jahres: Noch nie war es leichter und günstiger, qualitativ gute Musik zu produzieren. So haben jetzt auch junge Menschen wie King Krule, Jacob Collier und Black Midi die Möglichkeit, Musik zu verbreiten. Die oben genannten Bands sind ein paar dieser neuen Vertreter in Sachen Innovation und Abwechslung und stellen alte Legenden wie Fall Out Boy, Green Day und eben Blink-182 in den Schatten. Für besonders herausragend halte ich die Londoner Underground-Band Black Midi und den Release „Schlagenheim“. Das Album ist aufregend, experimentell, wild und kraftvoll. Die 4 jungen Männer erforschen auf ihrem ersten Album neue Sounds, ohne unzugänglich zu werden. Die Einflüsse sind hierbei vielfältig und reichen von Free Jazz über Punk. Auch handwerklich ist das Album oberste Liga und man fragt sich, wie der Schlagzeuger nach wilden Drum-Eskapaden immer wieder auf die 1 im Takt kommt. Ich bin mir sicher, dass die Londoner im nächsten Jahrzehnt immer wieder die Grenzen der Musik erweitern werden und an Bedeutung erlangen werden.

Song des Jahres: Bereits in meiner Review zum ganzen Album „You Know What They Mean“ der Art Rocker Bent Knee schrieb ich, dass "Bone Rage" heißer Kandidat für den Award Song des Jahres ist. Daran hat sich nichts geändert und kein weiterer Song kam an diesen ran. Der wuchtige Track ist zu Beginn unerbittlich hart und dreckig. Gepaart werden die Instrumentals mit dem Gesang des Ausnahmetalents Courtney Swain. Im späteren Teil des Tracks zeigt die Band, dass sie in Sachen Songwriting so einiges drauf hat. Abwechslungsreiche Drum-Rhythmen, Modulation in andere Tonarten und der Gebrauch von Dissonanzen. „Bone Rage“ stellt sich gegen die Vorherrschaft der Popmusik und Kommerzialisierung.

Geheimtipp des Jahres: Nur wenige werden hier in Deutschland die Band Car Seat Headrest kennen. Dabei veröffentlichte das Projekt des jungen Musikers Will Toledo bereits über ein Dutzend Alben. In den frühen Jahren ausschließlich über Bandcamp, wo die Musik bis heute zu hören ist. Mit dem Album „Twin Fantasy“ erreichten sie dort schon fast Legendenstatus. Jetzt veröffentlichen sie mit „Commit Yourself Completeley“ ihr erstes Live-Album. Die Musik ist introspektiv und privat. Ein Genre kann man der Band schon lange nicht zuordnen. Kaum ein anderer Musiker wirkt so zerbrechlich, ehrlich und introvertiert wie Will Toledo, der aber über die Lyrik seine Innenwelt nach außen stülpt. Wer die Band noch nicht kennt, sollte sich die Alben „Twin Fantasy“ und „Teens Of Denial“ anhören. Alternativ findet man hier mit dem Live-Album praktisch ein Best-Of.

Audio-Visuelles Meisterwerk des Jahres: "Anima“. So lautet der Titel des aktuellen Albums des britischen Künstlers Thom Yorke – wohl am besten bekannt als Frontman der Band Radiohead. Auf seinem vierten Solo Album demonstriert er, dass er auch ohne seine Band in der Lage ist, ein rhythmisches Geflecht mit dystopischen Lyrics und einem Gefühl der vollkommenen Isolation zu schaffen. Ein 15-minütiger Kurzfilm, mit gleichem Titel und Musik aus dem Album, erschien parallel auf Netflix. Im Kurzfilm sehen wir den Musiker, der anscheinend auf der Suche ist. Bei seiner Suche durchquert er surreal wirkende Orte. Neben Musik ist der Film ebenfalls durch Tanz dominiert. Bisher konnte ich noch nicht so viel mit choreographierten Tänzen anfangen, war dennoch beeindruckt. Wer also einen Netflix-Account besitzt, 15 Minuten Zeit hat und sich für Tanz oder experimentell-elektronische Musik interessiert, sollte sich den Film anschauen.

Konzert des Jahres: Hier kommen einige für mich in Frage: King Gizzard And The Lizard Wizard, Lightning Bolt, Idles, Libertines oder Black Midi. Mein liebstes Konzert war dann aber doch Death Grips in Köln. Selten gab es einen so kompromisslosen und rohen Auftritt. Keine Vorband, kein Merchstand, keine Zugabe, keine Pausen, kein Scheiß. Eine Stunde pure Energie. Jeder Song floss mit Überleitungen in den nächsten, sodass es keine Sekunde stille gab. Die Bühnenpräsenz der Band war unglaublich und schlug aufs Publikum über. Selten kam ich so inspiriert, nassgeschwitzt und glücklich von einem Konzert