Dies bekam auch Wolf Biermann zu spüren, einer der wohl berühmtesten Dichter, Musiker und Kritiker der DDR. Der Liedermacher, der als junger Mann aus Hamburg in den deutschen Osten zog, wurde mehr und mehr zu einem Dorn im Auge der DDR-Führung. Durfte er Anfang der 60er-Jahre noch in einer einigermaßen gemäßigten Kulturpolitik auftreten, wurden die ersten größeren Riegel Mitte der 60er vorgeschoben. Erich Honecker, damals noch nicht an der Spitze der DDR Führung, jedoch sehr hoch in den Rängen, kritisierte Biermanns Kunst scharf und warb für ein generelles Entgegentreten zu eben jener Kunst, die in das Weltbild des Überwachungsstaates nicht hinein passte.
1973 jedoch veröffentlichte Biermann ein Album mit dem Titel “aah-ja!” bei dem bereits das Albumcover Raum für interpretierbare Kritik an der DDR lässt. Auf der einen Seite sieht man als Karikaturen die großen Köpfe des Kommunismus, auf der anderen ein Foto von Biermann selbst, dass ihn beim glücklichen Musizieren mit der Gitarre zeigt. Es scheint, als würden die kommunistischen Köpfe im Seitenportrait ihm einen spöttischen urteilenden Blick zuwerfen, während er fröhlich lachend singt und spielt. Verstärkt wird dies durch den Albumtitel, der in roten Lettern in die Karikatur eingebettet ist. Auf diesem Album findet sich ein Lied mit dem Titel “Die Stasi-Ballade”. Subtile Kritik ist anders. Biermann ging in die Offensive und brachte vermutlich die richtigen Leute zumindest zum schmunzeln, die sich dachten “Der Mann hat recht” nachdem sie seine Musik gehört hatten. Die erste Strophe ist zwar vergleichsweise harmloser als andere, dennoch kommt man bereits zu Anfang ins Grübeln und Lachen, da Biermann sein “Mitgefühl” in großartig ironischer Weise für die Männer der Stasi und deren undankbare Arbeit ausdrückt:
“Menschlich fühl' ich mich verbunden mit den armen Stasi-Hunden. Die bei Schnee und Regengüssen mühsam auf mich achten müssen. Die ein Mikrophon einbauten
Um zu hören all die lauten Lieder, Witze, leisen Flüche, auf dem Klo und in der Küche. Brüder von der Sicherheit, Ihr allein kennt all mein Leid.”
Eine Kunst an und für sich, pointiert und präzise Humor mit Fakten zu verbinden und so die schönste Form der Kritik und des Widerstands zu kreieren. In der vorletzten Strophe jedoch kommt die Kritik und Abneigung deutlicher denn je zum Vorschein. Biermann singt:
“Ach, bedenkt, ich sitz' hier fest
Darf nach Ost, nicht, nicht nach West
Darf nicht singen, darf nicht schreien
Darf nicht, was ich bin, auch sein
Holtet ihr mich also doch
Eines schwarzen Tags ins Loch
Ach, für mich wär' das doch fast[...]
Nichts als ein verschärfter Knast”
Nachdem Biermann durch solche und ähnliche Lieder für genug Furore in der politischen Spitze gesorgt hatte, beschloss man, sich des Liedermachers zu entledigen. Biermann durfte in den Westen ausreisen und gab im schönen Köln ein Großkonzert in der ausverkauften Sporthalle vor sechseinhalbtausend Gästen. Allerdings hatte die SED während seiner Abwesenheit den Musiker bereits ausgebürgert und ihm so die Wiedereinreise verweigert. Dies hatte einen Protestbrief vieler DDR Künstler*innen, Schauspieler*innen und Musiker*innen an die führenden Kräfte und eine darauffolgende Ausreisewelle einiger jener Unterzeichner*innen zu Folge.