Die Lieblings-Coversongs der Redaktion

Manchmal sind Coverversionen so ikonisch, dass sie uns für immer im Gedächtnis bleiben. Bisweilen übertreffen sie sogar das Original. Wir haben in der Redaktion unsere Lieblinge zusammengetragen.
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Abay, das aktuelle Projekt von Ex-Blackmail-Sänger Aydo Abay, sehe ich oft mit vielen Fragezeichen. Einerseits vermutet man hinter der oft wunderschön austariereten Klangästhetik das Potential für unglaublich tolle Musik und anderseits ist das Songwriting bisweilen so banal, dass die Soundgestaltung daneben komplett trivial wird. Man beachte nur einen furchtbar platten Track wie "Plastic", der der Künstlichkeit in seinem Titel durch seine maximale Reißbrett-Struktur wirklich mehr als gerecht wird. Der Schluss daraus ist folgender: Abays Potential kann nur dann wirklich zum Vorschein kommen, wenn die Band mit vernünftigem Grundmaterial arbeitet. Ihre Größe zeigt die Gruppe deswegen in ihrem grandiosen Cover von Massive Attacks "Paradise Circus". Die Soundgestaltung dieses Covers ist so klug, die Dramaturgie des Songs wird durch die simplen Klavierakkorde zu Beginn und die fantastisch detailreichen Akzente im ausbrechenden Finale grandios ausgearbeitet. So können Abay also klingen, wenn das Songwriting stimmt. Was passiert, wenn das Grundmaterial eine absolute Katastrophe ist, demonstriert die Band darüber hinaus auf der selben Cover-EP, deren Teil auch "Paradise Circus" ist. Das Scooter-Medley "Always Hardcore" (kein Scheiß!) ist nämlich an Albernheit kaum zu überbieten und dabei noch nicht mal lustig. Abay arbeiten dort letztendlich auch nur mit den Textfetzen von H.P. Baxxter und unterlegen diese mit langweiligem Gedudel, anstatt mal zu überlegen, wie man die teilweise ja tatsächlich verdammt ikonischen Scooter-Melodien in einen anderen Kontext übersetzen könnte. Gut, jetzt habe ich genug gemeckert: "Paradise Circus" ist wirklich grandios und hat außerdem eines der ästhetischsten Musikvideos, die ich je gesehen habe.

Die (leider eingestellte) „A.V. Undercover“-Reihe auf dem YouTube-Channel The A.V. Club hat einige Coverperlen hervorgebracht. Ich habe bei They Might Be Giants‘ Version von „Tubthumping“ immer direkt ein breites Grinsen im Gesicht und wenn die Mountain Goats Jawbreaker nachspielen, geht mein Emo-Herz auf. Aber mein absolutes Highlight ist das, was die Screaming Females aus Taylor Swifts „Shake It Off“ gemacht haben. Der Song erhält im Arrangement des Trios einen Groove, der im Original nur zu erahnen ist. Marissa Paternosters Gesang hat hier das, was Taylor Swift dort gern hätte: Attitüde. Man kauft Marissa ab, dass ihr Hater tatsächlich am Arsch vorbeigehen. Der peinliche Rap-Part wird gekonnt ignoriert und durch ein gniedeliges Gitarrensolo ersetzt. Dieses Solo, die auf punkige Art tighte Rhythmusgruppe und auch die Socke über dem Mikrofon: Nach dem (leider entfernten) Video hatte ich das Gefühl eine Band verstanden zu haben, von der ich keinen einzigen eigenen Song kannte. Genau das kann ein großartiges Cover vermitteln.

Dass ich in meiner Musikvertrautheit so manchen blinden Fleck habe, kann ich nicht leugnen. Mir sind die Beatles herzlich egal, ich finde Led Zeppelin überbewertet und habe noch nie ein einziges Radiohead-Album in voller Länge gehört (Ja ja, Sakrileg und so, ich weiß schon). Diese weißen Stellen auf meiner musikalischen Landkarte führen dazu, dass ich Coversongs, vor allem wenn sie im Original von Künstler:innen geschrieben wurden, die es nicht mehr gibt oder die einfach schon relativ alt sind, oftmals erst gar nicht als solche erkenne.

So geschehen auch bei einer Coverversion des 1979er Songs “My Sharona” der kalifornischen Rockband The Knack, performt von Royal Blood. Ich bin seit dem selbstbetitelten Album großer Fan der Musik von Ben Thatcher und Mike Kerr und bin war dann etwas verwundert, als ich Monate später irgendwo im Radio das Original hörte. “Royal Blood hören sich da aber komisch an.” Little did I know, das die beiden Brightoner Musiker den Song nur gecovert haben, und zwar für das Format Spotify Singles, in dessen Rahmen auch schon Bands wie Architects, Bring Me The Horizon und Muse Titel ihrer Idole coverten (An dieser Stelle sei die Architects-Version des Deftones-Klassikers “Change (In The House Of Flies)” empfohlen, die verdammt nah an die Intensität des Originals herankommt). Ein bisschen Recherchearbeit und ich wäre damals schon schlauer gewesen, aber sei es drum, die Coverversion von Royal Blood ist sowieso besser als das Original. Kerr’s zuckrige Stimme, gepaart mit dem knorrigen Bassriff und den rumpelnden Drums stehen dem Song und vor allem der Gesangsmelodie meiner Meinung nach viel besser zu Gesicht als die Originalversion.

Ein Cover, welches sich direkt in mein Herz gestohlen hat, ist das Cover des Songs "I'll Follow You Into The Dark", im Original von Death Cab For Cutie und unglaublich schön gecovert von Frank Watkinson, einem liebenswerten, älteren Herr. Er verkörpert das Lied mit einer emotionalen Intensität, an die das Original nicht heran kommt. Auch wenn ich das Original super gerne mag und musikalisch etwas besser finde als das Cover, trifft einen die Bedeutung des Lieds noch einmal anders, wenn es von einem älteren Mann gesungen wird, der jede einzelne Zeile zu fühlen scheint, als hätte er sie selbst geschrieben. Im Video sieht man ihn fast in Tränen ausbrechen - soviel Emotionalität und pure Liebe, die in diesem Cover mitschwingt und einen selbst mit den Tränen kämpfen lässt.

Nicht nur das es ein wunderschöner Moment dieser Serie ist. Nicht nur, dass der Interpret viel zu früh von uns gegangen ist. Es ist auch einfach eine wunderschöne Version. Outkasts "Hey Ya" akustisch zu covern, liegt nur bedingt auf der Hand, dennoch bin ich einfach froh, dass Sam Lloyd es zu Lebzeiten getan hat. Kennengelernt habe ich die Version in der achten Staffel Scrubs zum Ende der Doppelfolge "Meine Bahamas" Dort steht der Sonnenverbrannte Sam Lloyd in seiner Rolle des Ted, am Rande der Hochzeitszeremonie und spielt seine Version von "Hey Ya". Und es ist traumhaft schön. Nicht nur die Version, die ganze Szene ist so voller Liebe und schöner Momente. Sie flutet mein Herz mit Liebe und meinen Rücken mit Gänsehaut. Allerdings fällt diese Auswahl wahnsinnig schwer, denn seine Version von "Take On Me", welche er in der Serie "Cougar Town zum Besten gibt, macht dieser Version starke Konkurrenz. Du fehlst Sam. Rest in Peace.