Es ist gar nicht so einfach einen angemessenen Raum für das große Treffen zweier Teams zu finden, wenn weder das eine noch das andere über irgendeine Form von Büro verfügt. Aber man muss sich eben manchmal zu helfen wissen, wenn man seit Jahren in einer DIY-Kultur mit quasi keinen Mitteln arbeiten muss. So findet das Zusammentreffen zwischen Minutenmusik und Album der Woche in der Dortmunder Lokalität „Schönes Leben“ statt, die dankenswerterweise über angemessen lange Tische verfügt. Die Atmosphäre ist laut und geschäftig, in dem Restaurant herrscht reger Betrieb. Inmitten dieses Trubels sitzen jeweils vier Vertreter*Innen zweier Fanzines, die bisweilen durchaus unterschiedliche Ausrichtungen haben, aber vor allem ihre Leidenschaft zu unabhängigem und engagiertem Musikjournalismus teilen.
„Euer Team ist glaube ich wesentlich homogener als unseres“, stellt Jonas von Minutenmusik fest. Er ist mit so viel Feuer bei der Sache, dass er sich schon bei der allgemeinen Vorstellungsrunde in einen mehr als fünfminütigen Monolog über Fanzine-Kultur verstrickt. „Wir haben auch Menschen dabei, die nur Girl- und Boybands machen und viele Popthemen behandeln. Wir haben Leute, die nur auf riesige Shows gehen und darüber schreiben. Die Beweggründe, warum man sich einem solchen Projekt widmet, sind deswegen mit Sicherheit auch sehr unterschiedlich.“ Jonas‘ Punkt ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man sich einmal die Outfit-Wahl der Album-der-Woche-Riege am heutigen Tag ansieht. Jan trägt ein Munich-Warehouse-Shirt und verleiht damit seiner Liebe zu den Blackout Problems Ausdruck, Kai trägt ein Heisskalt-Shirt und kommt damit ebenjenem Kosmos sehr nah. Der Autor dieses Textes trägt ein Longsleeve von Swain, die auch schon mal im Vorprogramm von Heisskalt standen – nur Julius genießt mit seinem Kanye-West-Shirt den Status der Special Snowflake. Begutachtet man wiederum die Artikel auf der Website von Minutenmusik, fällt die wirklich enorme Heterogenität auf: Neben typischen Album-der-Woche-Themen wie Sum41 finden sich dort auch Rezensionen zu Haftbefehl-Platten oder gar Konzertberichte über Helene Fischer. Obwohl Album der Woche vor einigen Jahren die Genre-Konnotationen aus dem Motto strich und seitdem nur noch das „Fanzine für gute Musik“ ist, sind die musikalischen Ausrichtungen der Magazine ganz andere.
Dennoch spürt man an diesem Nachmittag, dass die Zusammenkunft beider Magazine keinen Zufallscharakter hat. Auch wenn beide Seiten für Probleme unterschiedliche Lösungen haben, handeln die Gespräche vor allem davon, wie man Journalismus im Online-Zeitalter weiterdenken kann. Es erscheint bisweilen ein wenig verrückt, dass diese Diskussionen von Menschen geführt werden, die ihre Arbeit völlig unentgeltlich machen und ohne den Anspruch einer Finanzierbarkeit eigentlich nicht auf Klickzahlen schauen müssten. Aber Fanzines haben eben gerade deswegen teilweise Jahrzehnte überdauert, weil die Menschen dahinter über all die Zeit ihre Leidenschaft maximiert haben. Das zeigt sich besonders, als die Runde über den Antrieb für ihre jeweiligen Projekte spricht. „Ich habe damals angefangen, weil ich gerne meine Gedanken über Musik in Text kanalisieren wollte“, erzählt so zum Beispiel Julius von seinen Beweggründen. „Ich wollte dafür gerne ein Medium haben, das auch ein paar Menschen lesen. In letzter Zeit bin ich etwas aus dem Tagesgeschäft rausgerutscht und schreibe nur noch von Zeit zu Zeit Kolumnen. Ich bin aber immer noch froh, Teil des Projekts zu sein und finde total schön, wie sich das ganze entwickelt.“ „Ich habe schon immer geschrieben und war in meinem Freundeskreis immer diejenige, die Chartmusik nicht so viel abgewinnen konnte“, berichtet auch Emilia von Minutenmusik. „Das war eine tolle Gelegenheit, in diesen Bereich mal reinschauen zu können, weil ich später schon gerne als Journalistin arbeiten würde. Hier hat man auch die Freiheit, einfach mal frei Dinge auszuprobieren.“
Gerade letzterer Punkt drückt die ungeheure Freiheit aus, die Fanzines entfernt von jedwedem monetären Druck ausleben können. Und doch mangelt es in der breiten Landschaft dieser Fankultur-Projekte letztendlich doch oft an Innovation, wie auch Jonas feststellt: „Theoretisch sind die Möglichkeiten des Internets unerschöpflich. Das sieht man zum Beispiel gerade am Thema Podcasts, da ist so viel möglich. Aber Fanzines haben das Problem, dass kein Geld reinkommt und sie im Regelfall deswegen zur Hobby-Aufgabe werden. Deswegen fehlt schlussendlich die Zeit, ein Projekt so gut angehen zu können wie das zum Beispiel professionelle Printmagazine machen könnten, aber nicht machen. Das ist der Widerspruch. Eigentlich ist diese Freiheit da und könnte genutzt werden, aber man muss es irgendwie hinbekommen, sein Potential sehr effizient einzusetzen.“