Der erst einen Tag vorher angekündigte Auftritt der britischen Electronic-Alternative-Götter sorgt für viel Aufsehen und enorme Warteschlangen – auch, weil Warner Music den Hype ordentlich füttert und denjenigen garantierten Einlass verspricht, die einen Highscore auf einem der extra angeschafften Pacman-Automaten erzielen. In erster Linie lebt das Reeperbahn Festival aber natürlich von den kleinen Perlen, denen man im gigantischen Angebot des Festivals eher zufällig über den Weg läuft. In diesem Jahr ist das offizielle Partnerland Frankreich, dass am Festivaleröffnungstag gleich zwei Highlights zu bieten hat. Zum einen Flavien Berger, der mit seinen verqueren Electro-Pop-Spielereien auch unter anderem deswegen eine ganz besondere Atmosphäre verbreitet, weil er sie im Schmidt’s Tivoli, einem Theater darbietet. Nur wenig später spielen in der Sky Bar, dem schnuckeligen Dachzimmer des Molotows, die Noise-Punks Decibelles und reißen mit musikalischem Witz und grandiosen Songs wirklich alles ab.
Decibelles bestehen zu zwei Dritteln aus Frauen stehen damit für eine Initiative, an der sich das Reeperbahn Festival in diesem Jahr zusammen mit zahlreichen anderen Events erstmals beteiligt. Keychange hat zum Ziel, die Line-ups seiner teilnehmenden Festivals bis zum Jahr 2022 zur Hälfte aus Frauen bestehen zu lassen. Ein wichtiger Schritt in der Musikbranche, die vor allem am oberen Ende der Hierarchie eine gewaltige Männerdomäne darstellt. Beim Reeperbahn Festival zeigt sich der zunehmende Einfluss von Frauen angenehm deutlich – sei es bei Ilgen-Nur, die im Mojo ihren sorglosen Garage-Grunge präsentieren, oder bei Milk & Bone, die die etwas sterile Atmosphäre des Kukuuns mit ihrem Electro-Pop erwärmen.