Moving Targets in Köln - So geht Punk!

Wenn die Augen vor Schweiß brennen, die Ohren nur noch dumpfe Geräusche wahrnehmen und alle anderen Sinne auch nur so halb funktionieren, dann weiß man, was ein Punkkonzert ist. Moving Targets verursachen diese und noch viel mehr emotionsgeladene Momente bei ihren Shows - damals wie heute

Die Moving Targets aus Massachusetts laden zum Gig in Köln. Auf ihrer Tour durch die Republik spielen die Amerikaner vor vollen Hallen die Songs ihrer gleich zwei neuen Platten, die während der Pandemie entstanden sind. Gemischt wird von der Stehleiter und übertragen wird das ganze Konzert ein paar Meter neben der Bühne auf einem silbernen Röhrenfernseher aus den 90ern. Seit der Neugründung der Moving Targets in 2016 machen sie auf ihrem Europatouren immer Halt in Köln und haben über die Jahre eine treue Fangemeinschaft aufgebaut. Diese musste sich erstmal an die enorme Lautstärke gewöhnen. Kleiner Club, große Wirkung. Kenny Chambers begrüßt die Fans mit einem freundlichen Lächeln und ist sichtlich froh hier zu sein. Das legendäre Punkrock-Idol wird jubelnd begrüßt, die Hi-Hat wird angezählt und es beginnt ein nostalgisches Punkkonzert wie sonst kein zweites. Bassist Yves Thibault und Schlagzeuger Emilien Catalano sind beides “Neuzugänge”, die seit 2016 Sänger und Gitarrist Kenny Chambers tatkräftig zur Seite stehen und ein Fundament sind auf das er bauen kann. Er ist der letzte der ursprünglichen Band doch immer noch genauso am Brennen für die Musik wie in den Anfängen. Es dröhnt in den Ohren, nur erfahrene Fans wissen, welcher Song gerade gespielt wird, doch der melodische Sound von Chambers Gitarre fräst sich durch die Menge. Die offenen Gitarrenakkorde, melodischen Riffs und teils melancholischen Texte - angetrieben von energiegeladenen Drums und druckvollen Bass versetzt manche Zuschauer*innen in eine Art Trance, Augen halb geöffnet und sich vollkommen der Musik der Targets hingebend.

Der Song “Nothing Changes” kommt bei den Fans besonders gut an. Einige der Herren spielen Luftgitarre, wieder andere Fans werfen die Arme nach oben und tanzen ausgelassen durch die Nacht. Die alten Haudegen abseits der Bühne beweisen trotzdem, dass noch viel Punk in ihnen steckt und können es sich nicht nehmen lassen zu pogen. Auch Teil des Sets sind die Songs "Faith" und "Less Than Gravity" aus dem 86er-Debütalbum "Burning In Water" sowie "Nothing Changes" und "Things Are Going By" vom zweiten Album ’89 "Brave Noise". Dieses Jahr hat Kenny nur zwei Bodenpedale und einen Tuner dabei. Also komplett back to the roots! Auch ist kein zweiter Gast-Gitarrist mit am Start (das war bei der 2019er Tour noch der Fall war). Grundsätzlich gelten die Moving Targets – vor allem mit den beiden obengenannten ersten Alben - als eine Meilenstein-Truppe im Melodic-Hardcore. Sie stehen damit auf einer Stufe mit Hüsker Dü.

Schlagzeuger Emilien Catalano spielt sein Drumset mit solchem Elan, dass sich eine Schraube löst und das Becken fliegen geht. Der obligatorische Song am Ende des Sets ist “Youth of America”, eine Ode an die Band Wipers und zugleich Coversong ebenjener Gruppe. Chambers selbst ist großer Fan dieser Band und teilt diese Ansicht augenscheinlich mit dem Publikum. Oldschool, am Boden geblieben sind die Moving Targets Gott sei Dank so cool, dass sie nach der Show mit jedem Fan quatschen, ein Bier trinken und Geschichten von früher miteinander Teilen. Bei diesen Konzerten zählt der Community-Gedanke, kein abgehobenes Rockstar-Image. Grundsolide und sympathische Menschen, mit denen man nach der Show dummes Zeug erzählen kann und eine hervorragende Zeit hat. Die Moving Targets sind nach wie vor eine Instanz der Szene und eine Band, die man unbedingt mal live gesehen haben muss! Wie schön also, dass kein Ende in Sicht ist und die nächste Tour nach Europa sicherlich passieren wird.