Konzertbericht: Marteria in Köln

Als die Kölner Eishockeyfans mal kurz nicht in der Lanxess Arena zugegen sind, holt sich Marteria nicht nur das ortsansässige Hip Hop-Publikum, sondern auch die Bonner Brasspopband Querbeat zum vorletzten Halt der "Vollkontakt Tour" ins Haus. Was daraus entsteht, ist ganz großes Kino für Augen und Ohren!

Es ist schon Wahnsinn, was das Team einer so professionellen Veranstaltungsstätte wie der Lanxess Arena zu leisten im Stande ist. Am Freitagabend verloren die Kölner Haie ihr Derby gegen Düsseldorf, inklusive riesiger Choreo und dem daraus entstehenden Abfall, und keine 24 Stunden später ist davon nichts mehr zu sehen. Das Eis ist verschwunden, eine riesige Bühne im Norden der Arena aufgebaut und die "Lanxess" wird Pilgerstätte von Anhängern des deutschen Sprechgesangs. Eine gute Nachricht vorab: Die Halle ist deutlich wärmer als der Kölner Dezembertag. Die allermeisten Gäste betreten den Außenring der Arena bibbernd und dick eingepackt, können dann aber guten Gewissens ihre Jacken ablegen. Für den Rest werden die heutigen Auftritte sorgen.

Um das Kölner Publikum bei der draußen herrschenden Kälte wieder auf Temperatur zu bringen, hat Marteria das DJ-Duo Team Rhythmusgymnastik und die zwölfköpfige Band Querbeat an den Start gebracht, die ihren Teil dieser Aufgabe komplett ernst nehmen. Die gesamte Bühne besteht gefühlt aus Blasinstrumenten beziehungsweise mit diesen bepackten Musiker:innen, die trotz dem Gewicht von Mellophon und Tuba zu ihren den Gästen in Köln bestens bekannten Hits hin und her rennen und abliefern. Sei es "Guten Morgen Barbarossaplatz" als Hommage an die Stadt am Rhein und wie gut man in ihr die Nächte durchzechen kann oder die Nummer "Mehr Freaks", auch ohne die klassische Zielgruppe zu bedienen erfahren Querbeat viel Liebe von "ihren" Kölner:innen.

Querbeat

Als Marteria nach dem Abdimmen der Lichter und dem Einschalten der gewaltigen LED-Leinwände seine größte Show der Tour mit dem eher ruhigeren und daher verhalten aufgenommenen Track "Marilyn" eröffnet und dann mit "Love Peace And Happiness" zusammen mit Sängerin Odara Sol anschließt, sind nicht nur die zahlreich in der Arena anwesenden Fans mit Klamotten und Fahnen des Rostocker Fußballclubs sofort dabei. Odara wird heute Abend immer wieder zusammen mit Marten auf der Bühne stehen und diverse Gesangsparts übernehmen, am eindrucksvollsten den bereits aus der vertonten Liveshow aus dem Rostocker Ostseestadion am Ende von "Marteria Girl". Dass jegliche LED-Banden der Lanxess Arena mit weiteren an der Decke hängenden Lampen auf die Lichtshow der Bühne abgestimmt sind schafft nicht nur ein von Strobo beherrschtes Diskofeeling bei "Paradise Delay", sondern lässt die gesamte Halle später beispielhaft bei "Lila Wolken" (natürlich in Lila) und bei "Wald" (grün) in einer einheitlichen Farbe erstrahlen. Und das von allen Seiten. Weitere optische Highlights sind die auf den Leindwänden hinter der Bühne umgesetzten Effekte, die Marteria wahlweise futuristisch bunt oder im verpixelten Videospiel zeigen ("Endboss"). Das Publikum vor allem im Innenraum ist zu diesem Zeitpunkt lange am eskalieren, doch auch von den Rängen ist bei einem Blick durch das Rund durchaus Bewegung zu vernehmen.

Der nächste Abschnitt der Show dreht sich größtenteils um Songs von Alben vor der "5. Dimension". Marteria selbst erklärt dazu, dass auf dieser Tour vor allem Tracks gespielt werden, die ihm selbst wichtig sind. Es schließen sich unter anderem "El Presidente" an, zu dem Querbeat noch einmal die Bühne entern und die musikalische Untermalung des Titels übernehmen, sowie "Bengalische Tiger", standesgemäß mit viel Rauch, Feuer und Bengalischer Fackel zelebriert. Dass auch ein Bengalo auf der Tribüne gezündet wird, versetzt die anwesenden Sicherheitskräfte zwar kurz in Unruhe, unter dem Strich geht jedoch alles geordnet und ohne Gefahren im wahrsten Sinne des Wortes "aus". Ebenfalls erwähnenswert und vom Kölner Publikum freudig aufgenommen wird die Ankündigung eines neuen Marsimoto-Albums im kommenden Jahr 2023, auch wenn als kleiner Wermutstropfen gleichzeitig das Ende des Alter Ego von Marteria verkündet wird. Die Halle taucht sich unter dem strahlenden Marsimoto-Logo in Dunkelheit während Marsis Stimme den Anwesenden diese Botschaft überbringt.

Nach diesem Moment zum Durchatmen reiht die Band um Marten Laciny nun Hit an Hit. Ein standesgemäß textsicheres Publikum genießt hintereinander weg die Tracks "Verstrahlt" und "OMG!", wird zu "Kids (2 Finger an den Kopf)" darauf vorbereitet was bei "Adrenalin", heute in Abwesenheit von Casper, der gleichzeitig seine Shows in Bielefeld krankheitsbedingt absagen musste, in totaler Eskalation endet. Der Innenraum dreht nun umso mehr durch und macht immer wieder Moshpits und eine riesige Wall of Death auf, während die Halle von allen Seiten flackert. "Lila Wolken" und "Niemand bringt Marten um" besorgen die nächste Verschnaufpause. Die Band verschwindet anschließend um mit zwei letzten Zugaben nochmal die gesamte Halle abzuholen. "Feuer" bringt durch die eingesetzten Flammen noch einmal vor allem die vorderen Reihen zum Schwitzen, zu "Die letzten 20 Sekunden" rastet Köln dann noch einmal inklusive aller Ränge, die aktiv zum alleinigen Mitmachen animiert werden, aus. Marteria selbst wirft sich in die Menge um dem Tournamen angemessen auf "Vollkontakt" zu gehen.

Es ist wie so oft im Rap: Die auf Platten festgehaltene und ausproduzierte Musik ist das eine. Beats aus der Dose wummern nun einmal anders im Bauch. Nimmt man aber wie im Fall Marteria einen in Anglerweste gekleideten Marten Laciny, stellt ihm großartige Sänger:innen an die Seite und eine genauso großartige Band mit auf die Bühne, entsteht nochmal etwas viel mitreißenderes. Als die Gäste des Konzerts die Halle verlassen sind es nur noch etwa 14 Stunden, bis in der "Lanxess" der nächste Eishockey-Puck fallen wird. Und wer am morgigen Sonntag das nächste Heimspiel der Kölner Haie besuchen wird und nicht zufällig auch heute anwesend war, wird keine Ahnung davon haben was hier heute los war.