Konzertbericht: Leoniden in Hamburg

Wer heute im Hamburger Knust zu Gast ist, der lernt aus erster Hand, warum man die zukünftigen Perspektiven der Leoniden gar nicht hoch genug einschätzen kann.

Es ist gerade einmal etwas über ein Jahr, dass die Leoniden im Rahmen des Reeperbahn Festivals zuletzt im Hamburger Knust gespielt hatten. Damals war der kleine Hamburger Club angenehm gefüllt, aber noch lange nicht überlaufen – und das trotz einem potentiellen Publikum von zehntausenden Festival-Besuchern. Zurück in der Gegenwart stehen die Kieler vor einem seit Monaten ausverkauften Club – ein Zusatzkonzert im nur wenige Meter entfernten und mehr Zuschauer fassenden Uebel & Gefährlich ist bereits angesetzt. Wer sich am heutigen Abend im Knust umsieht, der kann allmählich realisieren, welche Wellen das Debütalbum des Quintetts in der gesamten Republik geschlagen haben muss – und welche Orkane der Nachfolger „Again“ vermutlich noch langfristig auslösen wird.

Bevor die sehnlichst erwarteten Helden des Abends aber die Menge mit ihrem äußerst spaßigen Indierock unterhalten dürfen, sind erst einmal Monako dran, die den Begriff „Indie“ eher als in sich gekehrte The-War-On-Drugs-Melancholie interpretieren. Die Musik des Duos wirkt bereits äußerst ausgefeilt arrangiert, obwohl zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal die Debüt-EP der Band offiziell veröffentlicht ist. Trotzdem haben Monako es unter den Augen des feierwütigen Publikums nicht gerade leicht. Wer bereits jetzt der hemmungslosen Eskalation eines „Nevermind“ entgegenfiebert, der lässt sich naturgemäß nur relativ schwer zum träumerischen Abdriften hinreißen. Der Opener des heutigen Abends wirkt deswegen deplatziert – einen dankbareren Auftrittsort hätte diese Musik trotzdem verdient.

Leoniden Hamburg

Die Erwartung der Headliner ist nach diesem schwierigen Auftakt trotzdem nicht im Mindesten geschmälert. Schon vor Beginn des ersten Songs werden Leoniden frenetisch mit „Was geht denn ab“-Chören gefeiert, die die Band exzessiv als Insider auf ihrem Instagram-Account etabliert hatte. Was folgt, ist die totale Eskalation. Die wird zunächst vor allem mit Altbekanntem von der ersten Platte entfacht. Natürlich haben wenigstens die Hälfte der Anwesenden schon mindestens drei Mal zum unfassbaren Jam von „1990“ abgetanzt, aber alt wird diese unheimlich intensive Klimax eben auch dann nicht, wenn man feststellt, dass sie bis ins kleinste Detail einstudiert ist. Nachdem das Knust bereits einer Schwitzhütte gleicht, trauen sich Leoniden auch, mehr aus ihrem neuen Repertoire zu spielen. „Kids“ ist dabei ein ebenso kompromissloser Hit wie der Text verspricht. Auch bei „Alone“ folgen frenetische Reaktionen. Es ist beeindruckend, wie unheimlich textsicher das Publikum bei jedem einzelnen Song ist – „Again“ ist immerhin gerade einmal zwei Wochen auf dem Markt. Nach „Sisters“ verabschiedet sich die Band standesgemäß mit einer tiefen Verbeugung vor einem begeisterten Publikum, das heute wirklich alles geben musste. Im Knust hat sich soeben die Zukunft der deutschen Popmusik vorgestellt.