Konzertbericht: Ho99o9 in Hamburg

Ein packendes Live-Erlebnis angemessen in Worte zu fassen, ist sowieso immer eine verzwickte Herausforderung. Aber ganz ehrlich: Was bei Ho99o9 im Knust passiert, spottet endgültig jeder Beschreibung.

Allein der Auftritt des Support-Duos Plack Blague reicht an abgefahren Eindrücken eigentlich, um einen langen Konzertbericht zu füllen. Hinter einem Mischpult steht da ein Herr mit schickem weißem Bart, der mit seiner Kapitänsmütze wie ein klassischer Seemann aus dem Hamburger Hafen aussieht, mit der dazugehörigen Leder-Uniform dann aber doch eher wie die Fetisch-Version dieses Klischees. Noch wesentlich gewagter ist das Outfit seines Partners, der sich mit Sturmhaube und Sonnenbrille verhüllt und ebenfalls den Leder-Fetisch bedient, wobei sein Beinkleid gerade im Schrittbereich wirklich nur das allernötigste verdeckt. Das Duo zelebriert zusammen eine pulsierend-packende Variante der Berliner Techno-Schule. Die Beats sind so monoton wie direkt, die Stimme des Frontmanns ist fast zur Unkenntlichkeit verzerrt und wirkt gerade dadurch besonders einnehmend. Die exzentrisch tanzende Front vor der Bühne scheint sich in diese Welt frappierend gut einzufügen, eine Frau trägt einen schrillen Neunziger-Sportanzug und wilde Zöpfe, sogar die Vokuhila scheint bei Teilen der Zuschauer wieder modern zu sein. Eigentlich fehlen da nur noch die bunten Rollerskates.

Plack Blague Hamburg

Plack Blague

Das ist aber alles nichts im Vergleich zu den Szenen, die sich beim Auftritt von Ho99o9 abspielen. Als das Duo gemeinsam mit seinem Live-Drummer den ersten schnarrenden Beat einleitet, startet die Menge komplett unvermittelt einen derartig wilden Moshpit, wie ihn die meisten Konzerte nicht einmal auf den Hochpunkten ihrer inszenatorischen Klimax erleben. Welche bombastische Stimmung die US-Amerikaner zu entfachen mögen, ist schlicht unglaublich. Besonders episch wirkt die unfassbare Massenhysterie im regelmäßig wiederkehrenden Stroboskop-Licht, das die gewagten Sprünge zahlreicher Stagediver brillant in Szene setzt. Rapper Eaddy zieht sich am heutigen Abend zwar nicht wie am Konzert einen Tag danach in Berlin komplett aus, die Eskalationsstufe ist dennoch absolut auf dem Maximum. Das liegt auch daran, dass Ho99o9 ihren eigentlich sehr variabel inszenierten Noise-Rap live einheitlicher stilisieren. Dadurch geht etwas an musikalischer Tiefe verloren, die die Band für die pure Direktheit ihrer Tracks aber wohl gerne in Kauf nimmt. Ein Highlight mit tragischem Beigeschmack folgt dann, als Ho99o9 in Andenken an ihren kürzlich verstorbenen Freund und Kooperationspartner Keith Flint ein The-Prodigy-Medley starten, das trotz seiner emotionalen Aufladung nicht für Resignation, sondern für die Zelebrierung einer großartigen Band sorgt. Dass vor der letzten Zugabe einem Mikrofon der Kopf verloren geht, steht sinnbildlich für das Stimmungslevel dieses Abends.

Ho99o9 Hamburg

Ho99o9