Konzertbericht: Donots in Wiesbaden

Die Donots laden erneut zum "Frühschoppen" nach Wiesbaden ein! Wer noch einen Beweis dafür gesucht hat, dass Tageszeit und Intensität des Konzerterlebnisses in keinerlei Zusammenhang stehen, findet diesen spätestens heute Nachmittag im Wiesbadener Schlachthof.

Ich muss zugeben, dass die Herangehensweise an den Ausflug nach Wiesbaden sich doch ungewohnt anfühlt. Kaum aus dem Bett aufgestanden, mache ich mich auch schon auf die knapp über zweistündige Fahrt in die hessische Landeshauptstadt. Um meine Reise durch die Klimazonen dieses Landes zu beschreiben: Zuhause vor zwei Nächten noch Schnee, in Wiesbaden blühen die Kirschbäume und die Leute liegen mit Getränkedosen im Park. Es ist Ende April und Wiesbaden gönnt es mir endlich mal, im T-Shirt durch die Gegend zu schlendern. Wer den Fußweg aus der Stadtmitte zum Schlachthof wählt, kommt unausweichlich am Hauptbahnhof vorbei, ab dem sich an diesem Samstagmittag die Quote der Menschen von Meter zu Meter erhöhnt, denen man das Ziel ihres Weges ansieht. Die Donots spielen im Rahmen der "Heut ist ein guter Tag"-Tour heute gleich zwei Mal im gut sichtbaren Schlachthof, immer dem Wasserturm auf dem Gelände nach! Nicht wenige hier werden sich beide Shows reinziehen und in Summe heute bis zu acht Stunden mit kurzer Unterbrechung im Laden verbringen, ich habe mich für die Nachmittagsshow mit anschließendem Besuch einer örtlichen Bar entschieden.

Den Schlachthof erreiche ich etwa zum Beginn des Einlasses, eine gute Stunde vor der Ansetzung des Auftritts von Supportact Akne Kid Joe. Die vom Himmel brennende Sonne, die Bar direkt am Schlachthof und die Wiesenflächen drumherum sorgen dafür, dass niemand so richtig in die Location hinein will. Es tummeln sich wohl so Viele vor dem Schlachthof in der lang erwarteten Sonne, dass sich der Innenraum nur spärlich füllt und ich auch bei den ersten Klängen von Akne Kid Joe noch ungewohnt viel Platz um mich herum habe. Dennoch scheint die Band noch die eine oder den anderen von draußen hereinzulocken, sodass auch dieser Zustand nicht lange anhält. Akne Kid Joe schaffen etwas, was mir immer wieder passiert: Sie ziehen mich durch ihren Auftritt weiter auf ihre Seite. Im Jahr 2021 habe ich ihr Album "Die Jungs von AKJ" hier besprochen und erinnere mich gut daran, dass ich die Platte nicht schlecht fand, jedoch auch nicht total von den Socken war. Heute brüllen sie mir "Danke fürs Gespräch!" entgegen und ich fühle mich aufgrund dieser Geschichte fast schon angesprochen. Der Vorteil daran: Ich kann zumindest einen Teil der gespielten Tracks Mitsingen und mich auf den Rest gut einlassen. Vor allem die Samples unterlegen die Songs der Band mit gewissen Grundeinstellungen und lassen mich nicht selten Schmunzeln, doch AKJ nutzen ihre Bühne und schießen nicht nur gegen Söder, sondern üben mit "Sarah (auch in ner Band)" deutliche Kritik an der Frauenquote in Musikgruppen. Lacher gibt es für die Aussagen doch bitte bis zur Bundesliga-Konferenz fertig sein zu wollen, bevor die Donots kurz übernehmen und die Leute auf die Abendshow von AKJ einstimmen werden. Wiesbaden reagiert nach dem Ende der Show noch etwas verhalten, aber mehr als anerkennend.

Mit den letzten Tönen von AKJ wird der riesige Donots-Vorhang mit dem Albumcover von "Heut ist ein guter Tag" herunter gelassen und eine der kurzweiligsten Umbaupausen meines Lebens beginnt. Der Schlachthof wird voller und voller, immer mehr Leute kommen teilweise in Polonaise an mir vorbei und finden sich vor der Bühne ein. Es läuft das Intro ab und die Donots eröffnen die "offizielle Konterbierveranstaltung" in Wiesbaden mit "Auf sie mit Gebrüll" und "Calling". Die anschließende Begrüßung "Moin Moin Wiesbaden! Ei Gude!" passte wohl selten so gut zur Tageszeit wie heute. Und auch wenn gerade einmal 15:00 Uhr auf dem Tacho stehen, drehen die Leute typischerweise durch. Man könnte die Donots wohl auch morgens um 07:00 Uhr auf die Bühne im Schlachthof stellen und die Hütte wäre voll. Unter regelmäßigem Betonen der Ungläubigkeit über das, was hier heute Nachmittag schon wieder los ist, liefern die Jungs die erste von vielen Anekdoten rund um den heutigen Tag ab: Zuschauer Emil hält das passende Schild in die Luft, lässt die Band "Dead Man Walking" mittendrin abbrechen und sitzt kurz darauf voll verkabelt hinter den Drums um eben diesen Titel mit seinen Helden zu performen. Emil macht es so gut, dass er nicht nur die Band nach eigener Aussage "sprachlos" hinterlässt, sondern sich auch am Merchstand aussuchen darf, was immer er möchte. Dass Guido "Augen sehen" nach den ersten Konzerten heute mit einer Stimme "in einer Mischung aus Ina Müller und Alf" hinlegt, ist die zweite Anekdote des Nachmittags. Und es sind gerade einmal sechs Songs und ein Intro gespielt.

Wie erwartet feuern die Donots heute alles ab, was die Geschichte der Band bisher an Highlights hervorgebracht hat, gespickt mit Songs von "Heut ist ein guter Tag". Sei es "Dann ohne mich", "Stop The Clocks" oder "Saccharine Smile": Dass draußen die Sonne scheint und wir hier mitten am Nachmittag im dunklen Schlachthof stehen, haben alle Anwesenden bereits vergessen. Die Stimmung ist mehr als ausgelassen, Circle Pits gehören zum Dauerzustand und auch wenn mal etwas passiert und die Knie weich werden, passen die Leute aufeinander auf und informieren schnellstmöglich Security und Sanitäter:innen. Das würdigen Band und Gäste gleichermaßen. Genauso fällt den Jungs rund um Ingo auf, dass heute extrem viele Kinder anwesend zu sein scheinen. Ein kurzer Check dieser These führt nicht nur zur Erkenntnis, dass der jüngste Gast heute gerade zehn Monate alt ist, während der älteste Besucher sich mit 73 Jahren im Moshpit austobt, sondern auch zu einer meiner Lieblingsanekdoten des Nachmittags.

Ich komme also wenige Minuten später aus dem Keller des Schlachthofs zurück in die große Halle, wo Ingo gerade alle Kinder im Saal zu sich auf die Bühne bittet. Zehn... 20...30... Am Ende stehen über 100 Kinder aller Altersgruppen auf der Bühne und die Donots trällern Ausschnitte der Titelmelodien von Feuerwehrmann Sam und Paw Patrol. Glaubt ihr nicht? So geht es mir ehrlich gesagt gerade auch. Passiert aber wirklich! Es folgt "Kometen" mit circa 100 Kindern und fünf Bandmitgliedern auf der Bühne, die man dazwischen kaum erkennen aber umso besser hören kann. Die Band ist sich anschließend sicher, dass die Abendshow das nicht mehr überbieten kann. Anschließend finden fast alle Kinder ihre Eltern wieder, sodass nur noch zwei Mütter ein paar Songs später die Bühne erklimmen und einen Ausruf starten müssen. So tauchen auch die letzten beiden Vermissten im Wiesbadener Schlachthof wieder auf und die Show neigt sich so langsam ihrem Ende entgegen. Die von mir gleichermaßen erwartete und erhoffte Kombo "Eine letzte letzte Runde", "We're Not Gonna Take It" und (natürlich!) "So Long" kegeln die Gäste dann zurück in die Realität und die Sonne, wo sich die meisten Leute zuerst einmal die Augen reiben müssen. "Ist das gerade alles wirklich passiert? Haben wir ernsthaft noch keine 17:30 Uhr?" Ich bereue spätestens jetzt, mich nicht gleich wieder vor dem Schlachthof zu Runde Zwei anstellen zu können.