Konzertbericht: The Aristocrats in Hamburg

The Aristocrats gehören zu den Exoten unter den Rockbands. Nicht nur haben die drei Mitglieder das Abschlusszeugnis einer Musikhochschule in der Tasche, auch ihr Songwriting entspricht viel eher dem eines klassischen Jazz-Trios. Bei ihrem Auftritt in der Hamburger Fabrik verdeutlichen die US-Amerikaner auf beeindruckende Weise, warum sie zum Hochadel des virtuosen Fusion-Rocks gehören.

Äußerlich könnte man Guthrie Govan, Bryan Beller und Marco Minnemann noch für eine stereotypische, ja geradezu klischeehafte Rockband halten: Lange Haare, Vollbärte, individualisierte E-Gitarren, ein mächtiger 5-Saiter. Dazu Minnemanns Drumset in der Größe eines Mittelklasse-Wagens, das fast die Hälfte der Bühne in der Hamburger Fabrik einnimmt. Einen Support gibt es an diesem Abend nicht und so steigt das Trio sogleich mit einem Jam auf den zuvor gespielten Countrysong ein, den sie anschließend zu ihrem eigentlichen Opener „Blues Fuckers“ wenden. Und spätestens in diesem Moment wird klar, warum die Aristocrats eben keine herkömmliche Rockband sind. Das liegt zum einen an ihrer spielerischen Klasse, insbesondere der schier unfassbaren technischen Gewandtheit ihres Gitarristen Guthrie Govan, aber auch an der Musik selbst, die auf jeglichen Gesang verzichtet und stattdessen stetig zwischen Math-Rock, kruden Taktarten und Jazz- sowie Funkanleihen mäandert. Da wird einmal Hendrix zitiert, mal Stevie Ray Vaughan, und schließlich ein irisches Volkslied.

Zwischen den einzelnen Songs gibt es fast immer eine kleine Geschichte zu hören. So erzählt Bryan Beller über den Tag, an dem ihm sämtliche seiner Bässe gestohlen wurden und verarbeitet diesen Umstand sogleich im Song „The Ballad Of Bonny and Clyde“. Ein weiterer Titel mit Namen „D-Grade Fuck Movie Jam“ offenbart sich als Antwort auf das Urteil eines Pressemenschen, der die Musik der Aristocrats als „Bad Music For A Bad Porno Movie“ beschrieben hatte. Und anderer Stelle liest Guthrie Govan aus einem Bilderbuch über den „Kentucky Meat Shower“ vor, bevor stilgerecht die ersten Töne von „The Meat Shower“ erklingen. Zu diesem Zeitpunkt baumelt bereits ein auf die Bühne geworfenes Unterhöschen an der Gitarre des Frontmanns.

Kein Zweifel: Das Publikum ist den Aristocrats an diesem Abend gewogen, wenngleich die Vertracktheit der Musik sowie das gehobene Durchschnittsalter der Zuschauer nicht unbedingt zum Moshen einlädt. Stattdessen werden sie Zeugen einer virtuosen Vorstellung von progressiver Rockmusik, die so nur ganz wenigen Bands vorbehalten bleibt. In diesem Sinne machen die Aristocrats ihrem Namen alle Ehre.