Konzertbericht: Razorlight in Köln

Zehn Jahre ist es her, seitdem Razorlight mit ihrem damaligen Album „Slipway Fires“ das letzte Mal auf Tour waren. Mit ihrem nun neuen Album „Olympus Sleeping“ haben es die Briten geschafft, auch einen größeren Saal wie die Kantine gut zu füllen.

Die Stimmung ist (trotz überteuertem Bier) ausgelassen, das Publikum bunt gemischt und die Atmosphäre wird von blauem Licht und der großen Diskokugel in der Mitte des Saals untermalt. Plötzlich vernimmt man von der Bühne das nur allzu gut bekannte Einzählen des Schlagzeugers und schon sorgt die Vorband „Calva Louise“ mit ihrem Alternative-/Psychedelic-angehauchtem Punkrocksound für die nötige Stimmung. Das Trio begeistert mit seiner Frontfrau am Gesang, seinen raffiniert komponierten Riffs und seiner puren Energie. So unschuldig sie auch bei den Ansprachen zwischendurch wirken mag, umso frecher und rotziger klingt der verzerrte Gitarrensound der Rock-Diva. Durch Shouts, verzerrte Gitarren und Gesang und ihre rebellische Attitüde sind Calva Louise eine Spur härter als Razorlight und hätten bei längerem Spielen durchaus einen Moshpit hervorrufen können.

Nach einer halben Stunde verabschiedet sich die Band und bedankt sich ausgiebig beim Publikum; weniger so der kommende Hauptact. Während der Umbaupause begebe ich mich bis vor die Bühne um eine gute Sicht zu haben und stelle einigermaßen überrascht fest, dass das Publikum aus fast schon drei Altersklassen besteht. Meine Generation 20 aufwärts, allerdings auch Vertreter der Generation 40 plus und sogar einige Damen und Herren mit weißem Haupthaar und Altersfalten im Gesicht stehen an den Tischen.

Die nächste Überraschung lässt nicht lange auf sich warten. Als Razorlight (leider grußlos) die Bühne betreten, empfängt sie lautes Klatschen, Jubeln und Brüllen. Bereits bei ihrem zweiten Song „In The Morning“ ist es eben die ältere Generation, die ausgelassen mitsingt, tanzt und vor der Bühne für Stimmung sorgt. Mit „Midsummer Girl“ spielt die Band einen Song von ihrem neuen Album und wärmt damit das Publikum schon mal mit Trommelwirbeln, Walkingbass und Reggae-Einflüssen für die kommenden Tracks auf. Frontsänger Johnny Borrell lässt die Masse noch ein wenig zappeln, bevor er bei „Golden Touch“ die Gitarre beiseitelegt, sich mit seinem Mikrofon in das Publikum reinbeugt, zum Mitsingen auffordert und somit zum ersten Mal die Anwesenden aktiv in das Konzert mit einbezieht. Nur durch Schlagzeug und Bass begleitet erwidert das Publikum freudig den stummen Aufruf. Mit den Songs „I Can’t Stop This Feeling I’ve Got“ und „To The Sea“ gibt das britische Quartett dem tanzfreudigen Publikum genau die „Feel-Good“ Musik, die es braucht. Die Schals werden abgelegt, Borrell knüpft seinen Jumpsuit auf und erinnert mit seinem Look an das letzte Albumcover. Der Schweiß tropft den Musikern ins Gesicht, die Masse liegt ihnen zu Füßen und alle hängen an den Lippen des lockigen Sängers. Mit dem etwas älteren Song „Who Needs Love“ kommt auch die junge Dame am Keyboard im Hintergrund zur Geltung und der Spannungsbogen der bis dahin rockigen tanzbaren Musik beginnt zu sinken. Allerdings auch nur kurz, da die Songs „Stumble And Fall“ und „Vice“ den Tanzbeinen keine lange Verschnaufpause gönnen.

Bei ihrem Klassiker „Wire To Wire“ kommt das Keyboard diesmal (natürlich) so richtig zum Einsatz. Borrell scheint als Hauptsänger allerdings ein wenig zu schwächeln und singt nur bedingt den markanten Oktavsprung im Refrain, der als Wiedererkennungswert für das Stück entscheidend ist. Dafür bekommt er aber umso mehr Unterstützung vom Publikum. Die Jugend filmt mit ihren Handys, dafür brilliert die ältere Generation durch leidenschaftlichen Gesang.  

Nach den fordernden Zugabe-Rufen Spielen Razorlight „Carry Yourself“ von ihrem neuen Album und drehen noch mal ordentlich auf. Ein verschwitzter, aber glücklicher Johnny Borrell strahlt über beide Ohren als er sagt: „ You have got to let the good times back into your life“, worauf der gleichnamige Song folgt. Diese Good-Times kommen nur zu einem Ende, als Razorlight mit ihrem Hit „America“ das Konzert beenden. Unter Blau-weiß-rot leuchtenden Scheinwerfern hat auch die junge Generation begriffen was Sache ist und lebt im Moment. Ein magischer Augenblick. Ein durch und durch erfüllendes Gefühl durchströmt den Saal, welches in tosenden Beifall und Jubelrufe übergeht, als sich die Band bei ihren Fans bedankt und die Bühne verlässt.

Dehydriert vom ausgiebigen Tanzen und Mitsingen wendet man sich nun wieder dem überteuerten Bier zu, lässt das Konzert Revue passieren und schlendert zum Merchstand. Die Vorband wartet bereits und verteilt gratis Sticker. Allmählich begibt sich das Publikum zum Ausgang, ein Zuschauer reißt sich noch das Plakat des Abends unter den Nagel und ich habe das Glück, noch einige Worte mit Razorlight-Gitarrist David Ellis zu wechseln. Er scheint sichtlich zufrieden mit der Show, und verrät mir seinen Schlüssel zum Erfolg, nämlich: „Intuition, fuck waves and everything is a drum“. In diesem Sinne: Love them, wherever you are.