Konzertbericht: Joe Bonamassa in Köln

Internationale Stimmen feiern den New Yorker seit Jahren als den Retter des angestaubten Bluesrocks. Hält das Gitarren-Wunderkind, was sein Ruf verspricht?

2017 war das erste Jahr in den USA, in dem der Musikbereich „HipHop/RnB“ mehr Umsatz erzielte als Rock. Eine Zeitenwende, die in dieser Form bereits seit rund 20 Jahren abzusehen war, aber nun auch in harten Zahlen schwarz auf weiß fest steht. Sterben die alten Hasen Classic Rock und Blues also aus, die große Jugendbewegung aller, die sich heute gerne wieder jugendlich fühlen würden? Wer schafft es, diese Musik ins Jahr 2018 zu transportieren? Seit einigen Jahren hat die Welt des Blues (was wahrscheinlich größer klingt, als es ist) einen unbestrittenen Shootingstar, der in die Fußstapfen von Eric Clapton, Freddie King und Gary Moore treten soll und laut der rezipierten Meinung fast schon darüber hinaus geschossen ist: die Rede ist von Blues-Wunderkind Joe Bonamassa.

Seine Biographie liest sich wie der Traum jedes Teenagers der 60er: Mit vier Jahren nahm der kleine Joe das erste Mal eine Gitarre im Musikladen seines Vaters in die Hand, mit zwölf ihn Mentor und Blues-Legende B.B. King unter seine Fittiche, einige Jahre später erschien sein erstes von mittlerweile über 30 Alben, gut die Hälfte davon wurde auf Konzerten aufgezeichnet. Weltweit gefeiert für seine makellose Technik, seine Fähigkeit, jede spielerische Facette des Blues annehmen zu können, seine ausufernden, explosiven Solos. Es gibt wohl kaum ein Lick auf der E-Gitarre seit Chuck Berry zum ersten Mal den Gain-Regler aufdrehte, das Bonamassa nicht bis zur Perfektion verinnerlicht hat. Und genau da liegt das Problem.

 

Die Lanxess Arena in Köln könnte voller sein. Der bestuhlte Innenraum ist ausnahmslos besetzt, auf den billigen, umliegenden Rang-Plätzen (die immer noch bei rund 90€ pro Ticket liegen) sieht es so aus wie auf den Köpfen der meisten Besucher: unfreiwillig kahl. Der Großteil des Publikums ist männlich und erblickte das Licht der Welt wohl vor 1960, die Zuhörer sind also mindestens knapp 20 Jahre älter als der Star des heutigen Abends. In diesem Alter ist man natürlich auch stets überpünktlich und ärgert sich bei jeder 2-minütigen Bahn-Verspätung ein kleines Bisschen. Wobei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemand an diesem Abend mit der Bahn gekommen ist. Keine zehn Sekunden also nach dem angekündigten Beginn um Punkt 20:00 Uhr gehen die Lichter aus und ein kurze Ansage im US-Stadion-Stil kündigt den Gitarristen und Sänger an - und schon fällt der Vorhang, eine siebenköpfige Band kommt zum Vorschein und legt direkt mit „King Bee Shutdown“ los. Einige Besucher haben noch nicht einmal zu ihren Plätzen gefunden - egal, Mr. Bonamassa hat schließlich keine Zeit zu verlieren.

Bei einer, wie böse Zungen behaupten würden, so berechenbaren Kunstform wie dem Blues ist es auch kein Wunder, dass wir an diesem Abend keine Überraschungen erleben. Er wird geleitet von zwölftaktigen Blues-Schemata, herausragenden Musikern und viel Nostalgie. Bonamassa spielt schließlich neben seiner eigenen Songs wie „Just Cause You Can“ oder „Driving Towards The Daylight“ mehrere Cover-Songs: Albert Kings „I Get Evil“, Eric Claptons „Mainline Florida“ sowie „Boogie With Stu“ und „How Many More Times“ von Led Zeppelin, wobei letzteres für Bonamassa-Verhältnisse schon fast progressiv anmutet. In guter alter Blues-Manier wird nicht viel Zeit mit Singen verschwendet - Gitarrensolos müssen her. Dafür ist der Großteil des Publikums schließlich auch gekommen. Und die gibt es zur Genüge: Bonamassa ist sich seiner Fähigkeiten bewusst und beginnt und beendet jeden Song mit einer ausufernden Präsentation derselben, ganz zu schweigen von dem minutenlangen Gitarrengefrickel zwischen den Strophen. Objektiv betrachtet ist die Qualität seines Spiels schlicht phänomenal – jeder, dem bereits zu Ohren gekommen ist, was dabei herauskommt, wenn Joe Bonamassa eine Gitarre in die Hand nimmt, weiß, was das bedeutet. Phrasierung, Timing, Licks, Sound, es passt alles. Auf diesem Level bewegen sich weltweit höchstens eine Handvoll Menschen. Komischerweise schafft der 41-jährige dabei zu keiner Sekunde, auch emotional zu überzeugen. Trotz technischer Perfektion und Stilsicherheit erreicht er nicht annähernd die dichte, gefühlvolle Intensität, die New-Blues-Gitarristen wie etwa John Mayer oder Henrik Freischlader mit jedem Ton auszeichnet – schade.

 

Bonamassa macht überdies trotz einiger Bluesrockstar-Angehwohnten (Sonnenbrille, fast keine Ansagen, jeder Song eine andere E-Gitarre) einen sympathischen Eindruck. Er gibt jedem seiner Bandmitglieder, dazu gehören zwei Sängerinnen, Schlagzeuger, Bassist, Keyboarder, Trompeter und Saxophonist, Raum zur Entfaltung, hier und da ein eigenes Solo und stellt sie in einer ausufernden Pause mit einigen Sätzen vor. Jedes Mitglied bezeichnet er schließlich jeweils als „one of the best in the world“, und man nimmt ihm anhand des Spiels der Musiker und Musikerinnen sofort ab, dass es sich hier um eine internationale Top-Riege an Künstlern handelt. Schlussendlich spielen der New Yorker und seine Band rund zwei Stunden und lassen mit dem ausufernden Tim-Curry-Cover „Sloe Gin“ als Zugabe wohl jeden Besucher mit einem Grinsen und dem Gefühl, sich kurz wieder wie ein bluesverrückter Teenager zu fühlen, nach Hause fahren. Später als 22 Uhr durfte es dann aber auch nicht werden, man muss ja schließlich zeitig ins Bett. Joe Bonamassa hat in gut situierten Mittsechzigern seine Zielgruppe gefunden, im Gegensatz zu anderen Gitarristen seiner Generation fehlt ihm aber das Gewisse etwas, den alten Dino Bluesrock an eine junge Generation heranzutragen. Dafür ist er leider zu sehr der Paris Saint-Germain Football Club des Blues: Effektiv und erfolgreich, aber leider immer etwas leidenschaftslos.