Konzertbericht: Enter Shikari in Hamburg

Die neue Platte der Trancecore-Veteranen Enter Shikari sorgt in Fan-Kreisen eher für gemischte Gefühle. Zum Glück gilt das nicht für ihre Live-Shows.

Die Karriere von Enter Shikari ist die Geschichte eines kontinuierlichen Aufstiegs, für die die neue Platte „The Spark“ wohl der nächste konsequente Schritt war. Das sieht man auch an der Veranstaltungsstätte des heutigen Abends: Das Mehr! Theater fasst einige tausend Leute und lässt sich auf keinen Fall mehr als Club bezeichnen. Zwar bekommen die Briten die ungewöhnlich große Location noch nicht ganz voll, trotzdem ist klar, wohin die Reise geht. Die Größe der Halle macht die Aufgabe für die Vorbands leider auch nicht gerade leichter: Astroid Boys sind zwar tighte Rapper und bringen eine kleine, aber treue Fangemeinde mit, so richtig ausfüllen kann die Band die Location aber nicht. Das liegt wohl auch an der sehr seichten Instrumentalfraktion, die eher den Eindruck macht, als würde sie gerade ein Praktikum in einer Rap-Kombo machen, um später in einer richtigen Rockband mitspielen zu dürfen. Gerade die Einlagen des Gitarristen sind dermaßen minimalistisch, dass man sie eigentlich auch ganz weglassen könnte. Da entfalten die drei Frontmänner ihre Stärken mit ihrem DJ deutlich besser.

Astroid Boys

Astroid Boys

Noch wesentlich schwächer sind allerdings Lower Than Atlantis, die eine recht plumpe Mischung aus Metalcore und Pop-Punk spielen. Frontmann Mike Duce kommt zwar zunächst mit scheinbar nicht zu bremsender Energie auf die Bühne und versucht mit aller Gewalt, sein Publikum anzuheizen, als er allerdings merkt, dass das nicht so richtig funktioniert, ist er schnell frustriert und nur noch darauf bedacht, sein Set hinter sich zu bringen. Das lässt er auch an seinem Bassisten auf, dem er mitten im Song ohne erkennbaren Grund vor die Brust stößt, woraufhin dieser unter irritierten Blicken des Publikums und der restlichen Band kurzzeitig die Bühne verlässt. Nach ihrem Auftritt verlassen Lower Than Atlantis das Scheinwerferlicht im Eiltempo – und lässt viele Fragezeichen zurück.

Lower Than Atlantis

Lower Than Atlantis

Zum Glück lassen Enter Shikari das schnell vergessen. Der Opener „The Sights“ bleibt zwar einer der schwächsten Songs ihrer gesamten Karriere, trotzdem heizt sich das Publikum nach und nach zu immer größeren Tanzeinlagen auf. Das liegt zum einen natürlich an unsterblichen Brechern wie „Radiate“ oder dem großartigen „Anaesthetist“, zum anderen aber auch, dass die Fans Enter Shikari völlig zurecht hemmungslos verehren und jeden Fitzel Energie dankbar in sich aufsaugen. Außerdem legt die Band hier das an den Tag, was sie auf ihrer neuen Platte so schmerzlich vermissen lässt, nämlich eine unheimliche Variabilität in ihrem Repertoire. Besonders deutlich wird das, wenn Rou Reynolds sich ans Klavier auf der B-Stage setzt, um gemeinsam mit seinen Fans das wunderschöne „Airfield“ zu singen. Solche Verschnaufpausen braucht man auch, denn Enter Shikari spielen sich immer konsequenter in einen unfassbaren Rausch, das Publikum tanzt immer ekstatischer. Zum Niederknien gut. „I don’t want to hear you clapping. After this song, you’ll all be dead“, sagt Rou Reynolds vor „Zzzonked“, dem letzten Song des regulären Sets. Wie wahr.