Kolumne

"Und alsbald wird alles anders" : Wie FJØRT mir wieder auf die Beine halfen

FJØRT aus Aachen gehören für mich nicht nur musikalisch zu den wichtigsten und besten deutschsprachigen Bands, sondern spiegeln auch persönlich einen Punkt wieder, an welchem alles in meinem Leben irgendwie anders und besser wurde. Dieser Text ist eine Art Liebesbrief an die Band, aber irgendwie auch an mich selbst.

Anthrazit

Leichte Triggerwarnung zu Themen wie Depressionen und Suizid!

Schaut man sich die deutsche Musiklandschaft an, so findet man mannigfaltige Ausprägungen in beeindruckend vielen Genres und deren Subgenres. Sei es in Sachen Punk, Indie, Metal oder der radiotauglichen Popmusik. In diesen Genres kann Deutschland ohne Probleme mithalten. Gucken wir jetzt aber in das Genre des Hardcores, so wird es schon spannender. Am interessantesten wird es aber, wenn man in das wohl beste Subgenre geht, den Post Hardcore. Fällt euch da jetzt spontan eine Band ein, welche sich über die Landesgrenzen bewegt oder sich mit Bands wie Touche Amore oder La Dispute vergleichen lässt? Mir auch nicht. Die Riege in dieser Art Musik hält sich sehr klein und setzt auf hohe lyrische und musikalische Qualität. Aber warum sollte man etwas technisch herausragendes schreiben, wenn es genügt, zum tausendsten Mal einen gleich klingenden Metalcore Track zu releasen oder direkt halbgar einen Pop Hit zu covern? Ist ja auch egal, das ist ein Thema für einen anderen Text.

Mir geht es heute um einen bestimmten deutschsprachigen Vertreter des Genres. Eigentlich geht es eher darum, wie und warum diese Band für einen Umschwung in meinem Leben steht und dieses damit auf einen Weg der generellen Besserung leitete. Aber fangen wir ganz vorne an. 2012 gründeten Chris Hell, David Frings und Frank Schophaus Fjørt und erschütterten noch im gleichen Jahr die deutschsprachige Musikwelt mit ihrer Debüt EP „Demontage“, welche sechs Songs beinhaltet, die reine, rohe Poesie und brachialste Härte zu einem wunderschönen Chaos verbinden. Durch die Abstinenz des Genres im deutschsprachigen Raum und die herausragende Qualität fand die Band schnell Anklang und brachte bis heute drei Alben heraus, welche unter Fans allesamt als heiliger Gral gehandelt werden. Ende 2017 stieß auch ich endlich auf das Wunderwerk der harten Gitarrenmusik. Ihr damals noch aktuelles Album „Couleur“ traf mich unerwartet wie eine Wucht und ließ mich jedes Mal sprachlos und hochemotional zurück. „Südwärts“, „Mitnichten“, „Karat“ oder die wunderbar depressive Hotelsession sind immer noch Lieder, welche in mir die reine Ekstase auslösen. Mich überzeugte all das so sehr, dass ich am 22. Januar 2018 mit vielen anderen im Beatpol in Dresden stand, um die Aachener zu zelebrieren. Nun hatte dieses Konzert aber noch eine sehr persönliche Note. Erstens war ich zu dieser Zeit psychisch ein Wrack und hatte die dunkelsten Gedanken, welche jemand in einem persönlichen Tiefpunkt haben kann, was an meiner endenden Beziehung mit einer manipulativen, übergriffigen, weniger netten Person und genereller Unzufriedenheit mit mir selbst lag, aber auch, weil es mein erstes Konzert als Fotograf sein sollte (Das einzige Bild, welches ich heute noch für qualitativ gut betrachte, findet ihr weiter unten im Text). Und wie krass ist es, dass man jemandem, der so was noch nie gemacht hat, so ne Erlaubnis gibt? Ich glaube von der Seite der Band, des Labels und der Veranstalter nicht so sehr wie für mich in diesem Moment. Meine Zeit bis zum Konzert verbrachte ich also damit, irgendwie zu trainieren, wie ich mit welchem Licht umgehe, welche Einstellungen ich benutze und bin vor Aufregung tausend Tode gestorben. Am Ende hat es dann kaum irgendwen interessiert, also außer mich. Nicht nur war ich glücklich mit den Fotos, ich war ebenso elektrisiert vom Konzert und dem niederwalzenden Sound der Band. Es war hart, emotional und wahnsinnig atmosphärisch. Oftmals den Tränen nah und laut schreiend waberten ich und meine damals noch recht leichte Kamera in der schwitzenden Masse. Von da an ebnete sich mein persönlicher Weg und Fjørt waren ständig Teil davon. Nach dem Konzert fing ich an die anderen Alben mehr zu hören, fand Tiefe in der Härte von „Demontage“, ließ mich von der rohen Gewalt auf „D‘accord“ tragen und lernte „Kontakt“ so sehr zu lieben, dass ich es als eines der besten Alben aller Zeiten bezeichnen würde. Im gleichen Jahr waren sie dann noch mein persönlicher Headliner beim Highfield, in der prallen Sonne um 15 Uhr. Immer ne gute Zeit, solche Musik zu hören.

Partie

Kurz darauf wurde es still um die Band. Also so richtig still. Keine Konzerte, keine Reaktionen bei Social Media, nichts (haha, Pun intended). Nun war ich mit meiner Liebe zu Fjørt ziemlich allein. Ein paar vereinzelte Kenner der Band befanden sich zwar in meinem Bekanntenkreis, aber niemand, mit dem ich so hoffnungslos darüber abkulten konnte, wie ich es gern getan hätte. Dann ergab es sich, dass ich ins Album der Woche eingestiegen bin. Ganz zufällig gibt es eine handvoll Bands, die im AdW-Team (fast) komplett gehyped werden und wenn man diese nicht mag, wird man so lange damit zugeschissen, bis man sie mögen muss. Vor allem Kora Winter, Heisskalt und eben Fjørt fallen mir da sofort ein. Und passend dazu gehört die Arbeit mit den Menschen des Fanzines und fürs Album der Woche ebenso zu den positivsten Veränderungen der letzten vier Jahre. Nicht nur gab es lustige Abende mit Gartic Phone, nerdiges gehype um Underground Musik oder die ewige PUR gegen Pink Floyd Diskussion, sondern auch die Erkenntnis, das es noch andere Leute gibt, die die große Fjørt-Liebe mit mir teilen. Das Ganze fand dann sicher den Gipfel, als ein Teil der Redaktion sich in Köln zur Diskografie Reise der Band traf, zwei Tage und an beiden wird jedes Album in einem anderen Venue der Stadt gespielt. Dazu die vielen Spekulationen um ein neues Album, neue Musik und was für ein deepes französisches Wort nun der Titel der vierten Scheibe sein wird. Wir gingen mit „Rien“, eben weil es „Nichts“ auf französisch heißt und die Band ihre Konzertreise mit dem Satz „Was kann danach noch kommen? Eigentlich nur Nichts!“ ankündigte. Fanden wir obvious. Zwar konnte ich an diesem Tag nicht persönlich teilnehmen (im nachhinein hätte ich übrigens doch gekonnt, schade) aber ich habe jedes bisschen Material der Konzerte, egal ob Storys bei Insta, jeden noch so rauschigen Ton, jedes Bild und all die Euphorie aufgesogen, und als es dann nach dem letzten Vorhang die Gewissheit gab, dass noch dieses Jahr etwas neues rauskommt und nächstes Jahr endlich wieder getourt wird, war ich in purer Freude. So sehr, dass mir im Regenguss, der in dem Moment der Telegramnachricht auf mich niederprasselte, auch eine Träne über die Wange lief, also wirklich, das ist jetzt kein romantisierendes Blah Blah. Seitdem bin ich wieder komplett im Fjørt-Fieber. Höre die Alben rauf und runter und lerne die Texte wieder neu, finde sogar Dinge und Bedeutungen, die mir vorher nicht aufgefallen sind und fiebere nun dem neuen Album „Nichts“ entgegen. Nächstes Jahr dann wieder vor der Bühne, all das Wiedererleben und hoffentlich erneut meine Kamera mitnehmen dürfen. Denn mein Leben wurde besser, als meine Liebe zu der Band anfing, ich habe endlich die Passion entdeckt, welche mich noch heute so sehr erfüllt und nun, wo ich mich generell besser fühle, bin ich umso mehr bereit, mir die Seele aus dem Leib zu brüllen und die Emotionen hochkochen zu lassen. Ach so, und endlich gute Bilder der Band in meinem Portfolio zu haben.

Um das ganze abzuschließen, ein letztes Zitat:

„Dass ich weiß, was richtig ist, kommt nur selten vor. Aber es gibt diese Momente, da gehen Herz und Hirn und Bauch d'accord.“

Hier seht ihr das Foto und das komplett zerfledderte Ticket, was in irgendeiner Ecke lag und nicht mal mein Eigenes ist.