Kolumne

So lernt man Metallica: Die Album der Woche-Hochschule

Ihr wolltet euch schon immer in diese eine Band reinhören, von der alle reden, wisst aber gar nicht, wo ihr überhaupt anfangen sollt? Wir nehmen euch an die Hand. Die heutige Lektion in der AdW-Hochschule: Metallica.

Wie sehr eine Band ein Genre für den Volksmund geprägt hat, kann man recht einfach erkennen. Welche Bands fallen einem ein, wenn es um Metal geht? Selbst Themenfremden, vielleicht sogar gerade Themenfremden fallen sicher ein paar Bands ein, Metallica ist mit Sicherheit eine von ihnen. Sie haben das populärste und vielleicht auch das musikalisch kontroverseste Album des Genres veröffentlicht. Eines der größten Livealben der Musikgeschichte und eine der grauenvollsten Kollaborationen aller Zeiten. Wo anfangen? Wo aufhören? Da geht’s lang.

Bachelor: „The Black Album”

Nun denn. Man könnte anmerken, dass das „Black Album“ nicht die erste Wahl wäre um den Kosmos Metallica zu ergründen. Allerdings macht es einem die stilistische Vielfalt unmöglich, nicht damit anzufangen. Fängt es doch das bisher gemachte und das was noch kommt, bis auf wenige Ausnahmen, sehr gut ein. Man lasse „Nothing Else Matters“ außen vor, Balladen gehören vorher und nachher zur Ausnahme. Der kompromisslose schnelle und harte Thrash Metal mit immer ähnlichen Riffs, aber genialen Brücken, die jedem Track seine eigene Kennung verleiht, wie in frühen Tagen. „Through The Never“, „Of Wolf And Men“ und natürlich “The Struggle Within” stehen sinnbildlich für die früheren Werke. Doch 1990 stehen Metallica an einem Scheidepunkt und dieses Album steht dafür wie kein zweites. „Sad But True“ oder „My Friend of Misery“ stehen für weniger Tempo, mehr Härte und gleichzeitig mehr Melodie. Und es beweist was Metallica seit jeher ausmachen: Epische, regelrecht monumentale Erkennungsriffs. Jeder, der mal Gitarre spielen gelernt hat, wird „Enter Sandman“ gelernt haben, ebenso „The Unforgiven“. Wobei das Bassintro von „My Friend of Misery der geheime Star unter den Metallica-Intros ist. Doch dass Metallica einen Sinn für starke Intros hat, wird sich durch den gesamten Kurs ziehen.

Etwas, was aber definitiv im Bachelor erwähnt werden muss, ist die Tatsache dass die unsägliche Zusammenarbeit von Metallica und Lou Reed am besten auf ewig in den Untiefen einer avantgardistischen Hölle verschwinden muss.

Master: “Ride The Lightning”, „Master of Puppets“, und “…and Justice For All”

Wem die schnelleren und raueren Melodien des „Black Album“ zusagen, begebe sich in die Zeiten vor 1990. Auf „Ride The Lightning“ findet man die ersten „Hits“, wenn man es so nennen kann, denn die wahre Größe der Tracks zeigte sich erst mit zunehmendem Erfolg der Band. „For Whom The Bell Tolls“, „Ride The Lightning“ und natürlich „Call of Kthulu”, inzwischen hat das ganze Album regelrechten Hitcharakter. Auf „Ride The Lightning“ erlangen Metallica einen Sonderstatus in der Metalbranche. Grund dafür ist der viel zu früh von uns gegangene Cliff Burton. Mit seinem Feingefühl im Songwriting und seiner klassischen Musikausbildung, heben sich Metallica vom Rest der Szene ab. Das Tempo ist vergleichsweise niedrig und die zu der Zeit klassischen Metalthemen wie Satan, Sex und Gewalt bleiben außen vor, um anderen Themen eine Bühne zu bieten. Ohne es bei diesem Namen zu nennen, ist „Ride The Lightning“ quasi ein Konzeptalbum zum Thema Depression. Es ist die musikalische Brücke zwischen dem sehr rohen „Kill `em All“ und dem recht progressiven „Master Of Puppets“. Auch „Master of Puppets“ hat ein übergeordnetes Thema, nämlich Fremdbestimmung des Menschen. Beispielsweise die Abhängigkeit durch Religion in "Leper Messiah", durch Drogen oder Alkohol im Titeltrack "Master of Puppets", allerdings wird auch über Abhängigkeitsverhältnisse von geistig Kranken geredet, insbesondere über den Missbrauch an ihnen in der Vergangenheit in "Welcome Home (Sanitarium). Letzteres steht Sinnbildlich für den Stil des Albums. Musik und Tempo passen sich stark dem Text an, wechseln also immerwieder von ruhigem Melodischem Sound, zu echter Härte. Die Komplexität von Texten und Musik hat wieder zugenommen im Vergleich zum Vorgänger. Das ist auf „… and Justice For All noch extremer. Dieses Album stand im Zeichen des Todes des legendären Bassisten Clifford Lee Burton, den auf Tour der tragische Unfalltot ereilt hat. Musikalisch ist es mit Abstand das komplexeste und der Höhepunkt dieser Trilogie. Es finden sich regelrecht musikalische Gewaltexzesse wie „Dyers Eve“ aber auch das dramaturgisch brilliant aufgebaute „One“ welches nicht nur mit seinem epischen Intro und Solo daherkommt, sondern mit dem lose an den Film „Johnny got his Gun“ angelehnten Text einen Meilenstein in Sachen Songwriting im Thrash Metal.

Auch der Master sollte nicht abgeschlossen werden, ohne festzustellen, was für ein absurd schreckliches Album „Lulu“ darstellt.

Promotion: „Load“, „Reload“ und „Garage Inc.“

Was sich auf dem „Black Album leicht angedeutet hat, wurde auf dem Nachfolger immanent. Der Metal geriet in den Hintergrund, Rock und auch etwas Blues unterwanderte die Musik immer mehr und wurde zu Hauptgenre der folgenden Alben. Auch die Individualität der Band wird etwas weniger, mit der Ballade „Mama Said“ und „Wasting My Hate“ sind auch erstmals Metallica-Songs ohne Gitarrensolo zu hören. Auch das, man nenne es vorsichtig so, unkonventionelle Schlagzeugspiel von Lars Ulrich wird simpler und passt sich vielleicht erstmals richtig seinem Niveau an.

Da es eigentlich als Doppelalbum geplant war, verwundert es nicht, dass „ReLoad“ große Ähnlichkeiten zu „Load“ aufweist. Es bleibt beim ruhigeren Fahrwasser und auch weitere Neuheiten werden probiert. Auf „The Memory Remains“ singt die wunderbare Marianne Faithfull die Background Vocals. Mit „The Unforgiven II“ wurde ein kongenialer zweiter Teil des Songs auf dem „Black Album“ herausgebracht. Und versuchte man sich zuvor schon an Blues und Balladen heran, probierten sich Hetfield, Hammett und Co. diesmal an den Country heran unter anderem in „Low Man’s Lyric“. Natürlich sollte man auch die Compilation „Garage Inc. nicht vergessen, welche sich auf die Ur-Anfänge der Band bezieht, auf die aller erste EP „The $5.98 E.P. – Garage Days Re-Visted“. Auf dieser Compilation findet man eine Sammlung an Coverversionen, die die Band über die Jahre gesammelt, aufgenommen und teilweise auch auf B-Seiten herausgebracht haben. Und auch wenn die Version von „Whiskey in the Jar“ sehr erfolgreich war, vergessen die allermeisten diese Platte, trotz ihrer zahlreichen Sensationen in alle Richtungen. Das punkige Misfits-Cover „Die, Die My Darling“, das Folk-rockige „Turn The Page“ oder das absurde Queen-Cover „Stone Cold Crazy“. Wahrlich wunderbar. Und wer die Promotion erlangen möchte muss folgendes mitsprechen: „Lulu“ ist kein Album, „Lulu“ ist eine Frechheit.

Habitilation: „St.Anger“ und „Lulu“

Nun sind nicht mal alle Alben besprochen, aber es ist ein ganz guter Abriss, um Metallica zu verstehen. In einer der kritischsten Phasen der Band entstand ein verkanntes Meisterwerk, mit Namen „St. Anger“. Die Übersetzung „Heiliger Zorn“ spiegelt die zu dem Zeitpunkt zerrissene Band gut wider. Jason Newsted hat die Band verlassen, da Hetfield es missfiel, dass Newsted mit seinem damaligen Nebenprojekt durchstarten wollte. Zudem versuchte sich Hetfield an einer Therapie um seinem Alkoholmissbrauch Herr zu werden. Der Film „Some Kind Of Monster“ spiegelt diese innerlichen Kämpfe sehr gut wider. Das Album ist ein ziemlich krasser U-Turn, weg von "Load" und "ReLoad" und hin zu deutlich Härteren Sounds, sogar einer nicht zu leugnenden Punk-Note. Diesmal ist kein einziges Gitarrensolo zu hören und der häufigste Kritikpunkt: Die Drums. Ulrich spielt mit offener Snare, anderem Tuning, sodass der Sound blechern klingt, das Spiel an sich allerdings eher hölzern. Man möchte roh klingen und zugleich kraftvoll. Kraftvoll ist untertrieben, denn Songs wie „Sweet Amber“, „Frantic“ und auch „Some Kind Of Monster“ erschlagen einen mit ihrer Power. Das hat wenig mit Metallica-Sound zu tun. Und eben doch. Denn das exzessive Leben, Touren und der stete Wandel der Band haben eine solche Platte erst möglich gemacht. Sie hätten jederzeit wieder anfangen können Platten zu schreiben wie später „Death Magnetic“ oder auch das starke „Hardwired… to Self-Destruct“, aber wo ist da die Originalität. „St. Anger“ ist eine Momentaufnahme, die exakter kaum sein könnte und ist somit ein Album, welches „realer“ nicht sein könnte und allein deshalb schon ein Meilenstein ist.

Man kommt problemlos drum herum und trotzdem sollte man es mal gehört haben: „Lulu“. Dieses Kollaborationsprojekt mit Lou Reed ist ein komplexes, anstrengendes, ja regelrecht avantgardistisches Werk. Es ist schrill, zugleich hart. Texte von Lou Reed, Musik auf Grundlage von Reeds Demos und gemeinsamen Impros. Streicher finden einen Weg auf Album, James Hetfield regelmäßig im Hintergrund zu hören. Grundlage des Projekts sind zwei zusammengefasste Dramen von Frank Wedekind. Verdammt noch mal, man sollte sich das mal angehört haben, denn dann hat man auch Metallica verstanden. Sie sind offen für verschiedene Strömungen und probieren gerne mal was anderes aus, so erklärt sich auch der musikalische Wandel der Band, das Streben danach, es anders machen zu wollen, den eigenen Weg gehen. Es ist also ein Sinnbild für die Band. Leider ein sehr hässliches.