One More Song – Die Cover-Story von Tony Sly

Es gibt eine ganze Reihe Bands, die irgendwann anfangen habe, Coveralben aufzunehmen. Der Grund ist bei vielen ebenso nervig wie offensichtlich: kreativer Bankrott. Aber es gibt auch Ausnahmen. Denn für Tony Sly von „No Use For A Name“ war covern neben seinem Songwriting ein lieb gewordenes Hobby.

1995, „¡Leche Con Carne!“ erblickt das Licht der Welt und No Use For A Name sind mit The Offspring auf deren „Smash“-Tour unterwegs. Im Publikum werden erste Rufe laut, als No Use For A Name ihr Set mit einem letzten Song beenden wollen. Das Publikum will den „Hidden Track" höre“. Der Hidden Track von „¡Leche Con Carne!“ ist ein kleiner Kult in der Fan-Gemeinde. Er ist knapp zweieinhalb Minuten lang und man kann ihn nach drei Minuten Stille nach dem letzten Track „Exit“ hören. Er enthält Textschnipsel oder Riffs aus 11 Songs.

 

The Cars – Just What I Needed

Green Day – Basket Case

Missing Persons – Words

Berlin – The Metro

David Bowie – Space Oddity

Toni Basil – Mickey

The Knack – My Sharona

Pat Benatar – Hit Me With Your Best Shot

Yes – Owner Of A Lonely Heart

Aerosmith – Walk This Way

Und manch einer hat gar nicht bemerkt, dass es ein weiteres Cover auf dem Album gibt. Der „Redemption Song“ stammt ursprünglich aus der Feder von Bob Marley. Doch so richtig begonnen hat es auf dem Debütalbum „Incognito“. Tony Sly hatte schon immer viel Spaß am covern, neue Potentiale zu entdecken, mit neuem Sound neue Interpretationsmöglichkeiten zu erschaffen, oder schlichtweg seine Lieblingssongs mit noch mehr Power auszustatten. Den ersten gecoverten Song auf einem seiner Alben ist „Truth Hits Everybody“ von The Police. Doch auf den Alben selbst hat er sich zurückgehalten. Der künstlerische Anspruch an sich selbst hat ihn letztlich gebremst, sich in diese Richtung auszuleben. Doch ganz ablegen konnte er es nicht, der Beweis dafür wurde erst nach seinem Tod veröffentlicht. 2017 erschien die Platte „Rarities Vol. 1: The Covers“ mit 13 Covern, die die Band über die gemeinsamen Jahre hinweg aufgenommen hatte, aber nie veröffentlichte. Wenn diese Sammlung verloren gegangen wäre, es wäre eine Verschwendung gewesen. Alleine ihre Version der Titelmusik der Sitcom „The Munsters“ ist absolutes Gold. Oder auch die No Use-Version von „Don’t Cry For Me Argentina“. Die gesamte Sammlung ist ein Pflaster auf das von Tony Slys Tod verwundete Herz.

Doch wie viel Spaß er am covern hatte, zeigen seine Akustik-Alben, die er mit Lagwagon-Frontmann Joey Cape aufgenommen hat. Denn gemeinsam nehmen sie sich der eigenen Songs  an. Nun möchte man sagen, „Aber jede Band macht doch Akustikversionen!" Doch was diese beiden hier auf zwei Platten veranstalten, ist etwas vollkommen anderes. Die Arrangements, die hier veranstaltet werden, gehen über das gewöhnliche Maß hinaus. Denn wie eingangs erwähnt, Cape und Sly geben den Songs neue Kontexte in ihrer Version. Aus Zorn wird Trauer und Resignation. Aus Aufbruch wird eine Retrospektive. Es wirkt wie eine Betrachtung eines alten Mannes auf sein bisheriges Werk, was es genau genommen auch ist. Nur dass Tony Sly eigentlich zu jung dafür gewesen ist. In Anbetracht seines plötzlichen Todes, ein Monat nach Release von „Acoustic vol. 2", aber dann eben doch nicht.

Die Nachricht seines Todes war über die Grenzen der Szene hinaus ein Schock. Doch die Reaktion darauf waren absolut wundervoll. Es erschien ein Sampler mit 33 Versionen von No Use For A Name Songs und Songs von Tony Sly. Die Liste an Bands und Künstler:innen lässt sich wirklich sehen. Als kleine Kostprobe: The Gaslight Anthem, Rise Against, Simple Plan und Karina Denike. Und sie alle tun das, woran Tony so viel Spaß hatte. Assoziiert wurde dieser Sampler mit einem seiner größten Förderer, Freunde und auch längjährigen Producer und, naja, auch seinem Boss, zumindest auf Label-Ebene: Fat Mike. Und dieser hat es sich natürlich auch nicht nehmen lassen, auch auf dem Sampler zu erscheinen. Sagen wir wie es ist: Tony hätte das gefallen.