Mein Lieblingssong zum Thema "Tod"

In den sozialen Medien drückt ein "Like" für erschütternde Ereignisse zumeist Mitgefühl und Teilhabe aus. Analog dazu sprechen wir hier nur bedingt von Lieblingssongs - doch auch das Lebensende kann für die Hinterbliebenen durch Musik erträglicher gemacht werden.

Der Verlust eines geliebten Menschen kann ein ganzes Leben aus den Fugen reißen. Bisher hat mich das Leben mit Schicksalsschlägen dieser Art größtenteils verschont, aber durch meinen Job als Krankenpfleger ist der Tod für mich häufig etwas sehr reales und so wandern die Gedanken schon ab und an zu den Menschen, die mir nahe stehen. Was, wenn sie nicht mehr sein werden? Ich mag düstere und melancholische Musik und traurige Lieder über echte Gefühle sind für mich einfach nahbarer als der neueste Hit von Jürgen Drews. Vor einigen Jahren entdeckte ich dann Gerard. Der Rapper aus Österreich hat auf „Blausicht“ den Song „Nichts“, welcher den Verlust eines Freundes verarbeitet, und das in einer Einfachheit, die bei mir jedes mal Gänsehaut erzeugt. Der Verlust ist an so vielen Stellen spürbar, dass man glaubt, es würde nie aufhören zu schmerzen. Gerard schafft es, dem Gefühl mit einfachen Worten eine auditive Gestalt zu geben und eben keine Power-Ballade daraus zu machen. Der minimalistische Beat und der Text bilden eine traumhaft-traurige Kombination, die das Thema auf eine ehrlich klingende Art verarbeitet und die Leere, die sich in einem nach einem solchen Ereignis befindet, in Worte zu fasst.

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Der Tod ist etwas Beängstigendes. Ob nun der eigene, der von den Liebsten oder auch nur von Bekannten. Er ist etwas genauso Schmerzhaftes, wie auch Unausweichliches. Ob nun durch Alter, Krankheit, einen Unfall oder auch Suizid - es ist niemals einfach damit umzugehen. Die Band The Tips aus Düsseldorf hat den Weg der Musik gewählt, um mit dem Freitod eines Freundes umzugehen. Der Tod ist nie einfach und der selbst gewählte Abschied von dieser Welt ist für viele Personen nur schwer nachzuvollziehen. Und genau darum geht es in dem Lied "Johnnys Song" von den Tips. "What is it that makes you sad? What went down in your head? What would you do instead? What is it that makes you cry? What if you had one more try?" - Schwierige Fragen, die sich wohl jeder stellt, der mit einer solchen Situation konfrontiert wird. Doch neben diesen Fragen erinnert sich der Song auch an den ehemaligen Freund oder Bekannten. "He's always been a friendly man [...] and Johnny always turned the music loud." - Gute und schöne Erinnerungen an einen Mann, mit dem man gemeinsam gelacht, geredet und gefeiert hat. Aber das hat wie alles im Leben leider ein Ende: "Johnny now has left this place, and I think about the good old days." Doch in erster Linie will dieses Lied eines - sich verabschieden. Wie Ali gefühlvoll mitteilt: "This is my goodbye", denn auch wenn man trauert und in Erinnerungen schwelgt, sich vielleicht Vorwürfe macht, ist es irgendwann notwendig, loszulassen und Auf Wiedersehen zu sagen. Ich habe dieses Lied gewählt, weil ich finde, dass die Tips es mit diesem Lied geschafft haben, Trauer und Musik zu vereinen und dass in ihrem eigenen Stil, der nicht melancholisch oder düster ist, aber dennoch tiefe Gefühle ausdrückt. Ein musikalisch mitreißendes Werk, hinter dem viel mehr steckt, als man beim ersten Hören meinen könnte.

Für mich war die in letzter Zeit berührendste musikalische Auseinandersetzung mit dem Tod das 2018 erschienene Soloalbum “Year Of The Tiger” von Myles Kennedy. Der Alter-Bridge -und Slash- Frontmann verarbeitet auf diesem Konzept-Album den Tod seines Vaters, und bewegt sich damit auf einer erzählerischen Fallhöhe, die in den letzten Jahren in der amerikanischen Gitarrenmusik ihresgleichen sucht. Kennedy’s Vater gehörte der Glaubensgemeinschaft der “Christian Scientists” an. Eine Ausrichtung des christlichen Glaubens, deren Anhänger aus Überzeugung die Hilfe von Ärzten und jeglicher Form weltlicher Medizin verweigern, da sie glauben, dass Gott sie heilen wird. An dieser Überzeugung ging er letztendlich zu Grunde. “Year Of The Tiger” handelt von Kennedy’s Unverständnis für den starrsinnigen Glauben seines Vaters, dem tiefen Mitleid mit seiner Mutter und seiner eigenen Entwicklung zum Atheisten. Als jemand, der selbst mit Religion wenig am Hut hat, hat mich diese Geschichte sehr mitgenommen. Ich hätte jeden einzelnen der Songs des Albums zu meinem “Lieblingssong” küren können. Da ist der frustrierte “Devil On The Wall” mit seinen wütenden Ausrufen, “Your conviction, your belief, how could you choose that over me?!”, in denen die rohe jugendliche Verzweiflung mitschwingt. Oder aber das zynisch-melancholische Lied “Love Can Only Heal”, in dem Kennedy mit gebrochener Stimme die Aussagen seiner Mutter reflektiert. Am meisten beeindruckt hat mich jedoch “The Great Beyond”, mit seinem bedrückenden Gesang und seiner dunklen Atmosphäre. Absoluter Anspieltipp!

Weitere Anspieltipps: Mike Shinoda - “Over Again”, Frank Carter & The Rattlesnakes - “Loss”