Kolumne

Do You like Jazz? Wie Jazzcover Popsongs verbessern

Jamie Cullum hat es geschafft, mit den Covern aus der Mainstreammusik den Jazz wieder für die breiten Massen interessant zu machen. Er hat berühmte Popsongs mit Jazzelementen versehen, neu Interpretiert und ein ganze neues Klangerlebnis geschaffen.

Jamie Cullum kann auf eine der erfolgreichsten Jazzmusikkarrieren zurückblicken. Bereits in jungen Jahren hat er Musikpreise gewonnen und sich durch seine großartige Mischung aus Jazz und Popmusik einen Namen gemacht.

Sein in 2009 erschienenes drittes Album „The Pursuit“ hat nicht nur seinen Namen international gefestigt, sondern sah auch den Beginn einer länger anhaltenden Neigung zum Covern von großen, weltweit bekannten Popsongs. Als Jazzmusiker ist es Gang und Gebe, etliche Jazzstandards neu zu interpretieren. So enthält auch Cullums Album „Twentysomething“ einige solche Genre-Klassiker wie „I Get A Kick Out Of You“, „Singing In The Rain“ sowie ein Cover des Jimi-Hendrix-Klassikers „Wind Cries Mary“. Schaut man nur auf letzteres Stück, so kann man eine Art Startpunkt des Coverns und Neu-Interpretierens festlegen. Fast forward zum 2009 erschienen Album „The Pursuit“, entdeckt man beim Durchhören bei der Hälfte des Albums einen weltweit bekannten Popsong.

Es ist kein geringerer als „Don’t Stop The Music“ von seiner US-Amerikanischen Kollegin Rihanna. Die R&B/Pop Sängerin hat den Song einen Jahr zuvor auf ihrem Album „Good Girl Gone Bad: Reloaded“ veröffentlicht. Ein großer Erfolg und ein großartiger Partyhit noch dazu. Doch lässt sich streiten, welche Version jetzt die bessere ist. Vermutlich ist der Anlass entscheidend, denn fairerweise kann man zur verjazzten Coverversion nicht so gut im Club tanzen wie zum Original.

Weiter ging es dann in 2015 mit dem YouTube Format „The Song Society“. Cullum und seine treuen Mitmusiker*innen stellten einige Regeln auf, nach denen gespielt wurde und führen das Format bis heute.

Die Regeln lauten folgendermaßen: Erstens soll man einen Song zu finden, den man liebt oder der einen fasziniert. Zweitens muss der Song binnen einer Stunde zu gelernt, neu instrumentiert und aufgenommen werden. Es sind keine weiteren Vorbereitungen erlaubt und schließlich (und das ist die schönste Regel) sollen die vermeintlichen Fehler geliebt und gelebt werden. Ein recht ungezwungener Ansatz, der sich hören und sehen lassen kann. Alles in schwarz-weiß in Cullums Wohnzimmer gefilmt und aufgenommen, entführen die Cover die Hörerschaft in eine andere Welt ihres Lieblingssongs. Einige möchte ich hier nun etwas genauer besprechen.

Schon früh versuchte sich Cullum an dem Riesenhit „Uptown Funk“ von Mark Ronson und Bruno Mars. Durch die Interpretation wurde der Song zu einem gänzlich anderen Erlebnis. Keine Bläsersektion, die die bekannte Hook spielt, sondern nur Bass, ein wenig Percussion, ein Flügel und eine Stimme. Hervorgekommen ist eine andere Version, aber bei weitem keine schlechte. Cullums Können kann sich hören lassen. Anstelle des Bläsereinwurfs tanzen seine Finger auf der Tastatur und legen mehrere anspruchsvolle Soli hin, eins schwerer als das andere. Was dem Individuum nun eher zusagt ist streitbar, doch kommt man nicht umhin, das musikalische Könnens des Briten zu bewundern.

Ebenjenes Können beweist er auch bei der neu interpretierten Version von Justin Biebers „What Do You Mean“. Da der Kanadier in seiner Karriere schon genug Kontroverse und schlechte Kritik abbekommen hat, sehe ich hier davon ab und lasse die Musik für sich sprechen. Doch stellt man die Stücke gegenüber, so ist Cullums Version definitiv die musikalisch anspruchsvollere, bedenkt man, dass er alles alleine gespielt hat. Alle Klänge sind am Flügel entstanden und durch die sehr geringe Instrumentierung gewinnt der Song an Leichtigkeit. Die gespielten Jazzakkorde bringen die nötige Fülle in den Song und werten ihn dadurch auf. Weniger ist mehr in diesem Fall. Spannend ist hier auch, dass Cullum den Flügel nicht nur als Flügel benutzt. Die „Bassdrum“ wird durch Treten gegen den Rumpf des Instruments erzeugt, die übrige Percussion durch Klopfen auf das Holz des Flügels. Der Kontrabass wird durch das Zupfen der einzelnen Basssaiten gespielt, der Rest erfolgt an der Klaviatur. Wie gut, dass Cullum einen Deal mit Yamaha hat, sonst könnte diese Art des Musikmachens irgendwann teuer werden.

Ein weiteres großartig gelungenes Cover ist „Thinking 'bout You“ von Frank Ocean. Die schiere Anzahl der Akkorde in Verbindung mit der Prämisse, keine der Regeln zu brechen, ist definitiv eine anspruchsvolle Aufgabe gewesen. Dafür ist sie aber auch wunderschön geworden. Die hohe Falsettstimme ist super getroffen und Bass und Schlagzeug werden hier auch wieder an den vorgesehenen Instrumenten gespielt. Der Song ist ähnlich ruhig wie das Original und beide lassen sich grandios hören. Für Liebhaber der Jazzmusik ist Cullums Version natürlich eher zu empfehlen

Den Song „Shape Of You“ von seinem Landsmann Ed Sheehan hat Cullum ebenfalls in und unter seine Finger bekommen. Spannend hierbei ist, dass er sich bewusst für die Blue-Note im bekannten Refrain entscheiden hat. Dadurch muss beim ersten Hören erst mal verstanden werden, was gerade passiert (ist). Neben den harmonischen Klaviereinwürfen in der Strophe ändert Cullum den Refrain sowie die Hook etwas ab. Mit einer capella gesungenen Bridge wird der verjazzte Song noch spannender gemacht. Es klingt einfach sofort cool. Darüber hinaus ist die Streichelcam für den Hund im Video einfach zu süß, um es nicht zu gucken.

Den krönenden Abschluss der Coversongs bilden gleich zwei Songs, die in einem Cover zueinander gefunden haben und so unglaublich gut zusammen harmonieren, dass man einfach mehrmals hören muss, bis man verstanden hat, was alles passiert. Die Rede ist von Ms. Lauryn Hills „Ex Factor“, welches sowohl von Drake als Sample in seinem Song „Nice for What“ als auch von Cullum aufgegriffen wurde. Er spielt den gesamten Hill Song (no pun intended) und durch die Oktavsprünge in der Strophe und den Gegenpol des flächigen Klaviers bekommt die Strophe ihre schön subtile Spannung und Dynamik. Erst nur als harmonische Stimmen im Hintergrund, übernehmen beide Sängerinnen besagtes Drake-Sample gegen Ende des Songs, während Cullum von Gesang zu Rap wechselt. Am Ende ist dann das volle Klangerlebnis da. Schneller, zweistimmiger Backgroundgesang, darüber der Rap und die immer noch flächigen Jazzakkorde der Instrumentalisten - eine großartige Coverkomposition.

Fazit