Denn das Antirassistische, was Shoreline in „Konichiwa“ besprechen, ist ja in höchstem Maße die Art von Gesellschaftskritik, die sich die Punk-Bewegung bereits in den 80ern auf die Fahne schrieb. Es gibt aber einen Grund, warum die vielen Bands, die bis heute dieses Credo hochhalten, zwar unschätzbar wichtig geblieben sind, aber trotzdem mit dem ewiggleichen „Nazis Raus“-Skandieren auch immer ein bisschen wie eine hängengebliebene Schallplatte klingen. Gesellschaftliche Veränderung kann immer nur dann passieren, wenn auch der privilegierte Teil der Bevölkerung begreift, dass sie notwendig ist. Frauen hätten zum Beispiel aus eigener Kraft nie auf demokratischem Wege ein Wahlrecht erreichen können, weil sie ja systematisch definiert gar nicht am Entscheidungsprozess mitwirken konnten. In der Schweiz scheiterte so die erste Abstimmung im Jahr 1959 und Frauen erlangten erst 1971 (!) ihr Stimmrecht – und mussten selbst danach noch rund 20 Jahre warten, bis es wirklich in allen Kantonen durchgesetzt wurde. Die vielmals kritisierte Überzahl weißer Männer auch im angeblich so weltoffenen Punk ist also per se erstmal auch etwas, was Veränderung in der Gesellschaft durchsetzen kann und sogar braucht. Nur: Ganz ohne die Perspektiven von denjenigen Personen, die von diskriminierenden Strukturen betroffen sind, funktioniert es eben genau so wenig. Erst, wer in einen Menschen wirklich reinsehen und seine Perspektiven erfahren kann, kann wirklich begreifen, warum Antifaschismus nicht nur ein Kampf gegen etwas, sondern für etwas ist.
Es zeichnet einen Song wie „Konichiwa“ aber eben nicht nur aus, dass er die Probleme überhaupt mal aus der Situation von Betroffenen aufzeigt, sondern auch, auf welche Art er das tut. Hansol Seung formuliert seine Erfahrungen nicht nur als nüchterne Zustandsbeschreibung der Welt, in der er lebt, sondern zeigt treffend auf, wie er sich dadurch fühlt. „Your excuse and words mean nothing/ Your ideas were broken by the test of time/ Shout ‚konichiwa‘ and I swear one more time/ And I will lose my shit and fuck you up“, heißt es so zum Beispiel im Refrain. Es gibt wenige Zeilen, die so gut aufzeigen, was der Einzug von Emo mit der Rockmusik und mit dem Punk gemacht. Niemand muss mehr der Tough Guy sein und sich inbrünstig und unantastbar Nazis entgegenstellen. Und gleichzeitig muss man auch nicht mehr in seinen Emotionen versinken, ohne sich dagegen zu wehren. Das, was Emo heute ist, zeigt, wie eng beides eigentlich zusammengehört. Rassismus ist deswegen so ein fatales Gesellschaftsproblem, weil es zur massiven Schädigung einer betroffenen Gruppe führt. Und erst wenn wir das verstehen und wenn wir begreifen, dass wir mit diesen Gefühlen nicht allein sind, können wir uns dagegen zur Wehr setzen. Emo im Jahr 2022 drückt einen Zeitgeist aus, der verstanden hat, dass Politisches immer auch Auswirkungen auf uns hat und dass Entscheidungen keine anonyme Masse, sondern echte Menschen betreffen. Und man kann gar nicht genug betonen, wie wichtig diese Erkenntnis ist, damit sich endlich Mal was ändert.