Kolumne

Felix' Jahresrückblick 2020

Ach 2020. Du hast geschafft, was vorher noch kein Jahr vermochte, du hast mich einen Scooter-Song fühlen lassen. Und eigentlich könnte man "FCK 2020" feat. RTOEhrenfeld auch gleich zur offiziellen Hymne 2020 erklären und sich den restlichen Rückblick sparen. Tu ich aber nicht, denn ein bisschen mehr gibt es über dieses Jahr schon noch zu sagen...

Musikalisch gesehen hätte es für mich wohl kein größeres Kontrastprogramm zum Vorjahr geben können. Während ich im letzten Jahr gefühlt 20 neue Künstler pro Woche entdeckte und nahezu jeden dritten Tag auf einem Konzert war, habe ich mich 2020 ein Stück weit von der Musikwelt zurückgezogen. Auch neue Releases – falls sie denn nicht verschoben wurden – waren längst nicht mehr so wichtig. Allerdings: Wenn ich in diesem Jahr Musik gehört habe, habe ich ihr dafür so viel Zeit gewidmet wie schon lange nicht mehr. Ein paar meiner persönlichen Highlights:

Das Album des Jahres

Ehrlich gesagt habe ich mich ziemlich schwergetan, mein Album des Jahres zu benennen. Potenzielle Kandidaten gab es so einige: King Krules „Man Alive!“, Juse Ju und „Millennium“, und auch die Iren Fontaines D.C. waren mit „A Hero’s Death“ in der engeren Auswahl. Jedoch konnte ich mich über kein Album dieses Jahr so sehr freuen, wie über „Deuce Ex Machina“ von Pabst. Das Fuzz-Fest des Berliner Trios war der Soundtrack zu meinem Sommer und mein Album des Jahres.

Die Neuentdeckung des Jahres

Zu den wenigen guten Momenten in diesem Jahr gehörte ein Gespräch, das ich mit ebenjenen Pabst aus Berlin führen durfte. Neben dem unausweichlichen Thema Corona blieb auch noch Zeit um einige Musikempfehlungen auszutauschen, woraufhin ich auf Pretty Sick stieß. Der Name war Programm und eine grungy Dreier-Kombo mit Gefühl für Melodien und Schrabbelgitarren genau das, wonach ich gesucht hatte.

Der Spätzünder des Jahres

2020 war erstaunlich reich an Alben, die sich mir erst nach einiger Zeit erschlossen haben. Noch erstaunlicher ist, dass sich darunter auch Veröffentlichungen von Künstlern befanden, die ich normalerweise zu meinen absoluten Favoriten zählen würde. Goldrogers „Diskman Antishock“-Reihe brauchte zum Beispiel Monate, bis ich sie wirklich zu fühlen begann, dafür werde ich von Songs wie „Horcrux“ auch heute noch nicht müde. Der Preis für den Spätzunder des Jahres muss in diesem Fall allerdings an Juse Ju und „Millennium“ gehen. Ich weiß nicht genau woran es lag – ob am Cover oder den Erfahrungen mit dem Vorgänger „Shibuya Crossing“ – dass ich dem Album erst sehr spät eine echte Chance gab. Doch die Sorgen waren unbegründet. „Millennium“ ist nicht nur das persönlichste, sondern auch das beste Album von Juse Ju. Zwischen Spaß-Tracks wie „Kranich Kick“ und „Ich hasse Autos“ schildet Juse auf eindrückliche Weise seine Zeit in einer toxischen Beziehung, als Zivi in der Psychiatrie und als Model in Japan, begleitet von stimmigen Beats und passgenauen Features. Das Deutschrap-Album des Jahres.

Die Single des Jahres

„Sweet“ von Porridge Radio ist ein kleines Monstrum von einem Noiserock-Song, der beißt, kratzt und sich dann doch wieder anschmiegt. Mitte des Jahres in einer Sendung auf ByteFM entdeckt, hat mich der Racker bis jetzt jedenfalls nicht wieder losgelassen.

Der Sommerhit des Jahres

Action Bronson macht jetzt Fitness und ist auch ansonsten wieder in Topform. Während ich den Sommer fast ausschließlich mit (meistens schlecht gelaunter) Schrammelgitarren-Musik zubrachte, erschien "Latin Grammys" wie der unverhoffte Kick in den Pool. Ein groovy Beat, eines der lustigsten Videos des Jahres und ein mit lächerlicher Selbstsicherheit darüber flexender Action Bronson waren alles, was dazu nötig war.