Beachtet man die musikalische Historie der Band, sind die elektronischen Einflüsse noch nicht einmal ein völliges Novum. Sie scheinen auf der "Gods"-EP zum Beispiel im Song “Space” durch, sie klingen in der Kollaboration mit Christian Löffler zu “Haul” an. Auch der Track “Sorry” kann als Indiz verstanden werden, dass den "Dark"-Sound zumindest nicht ausschloss, sondern eher einen solche Klanglichkeit in der Zukunft suggerierte. "Man braucht eine gewisse Zeit, um in Themenfelder einzutauchen. Ich habe auch gar keinen Plan von Synthesizern", gesteht Michael ein. "Bei elektronischer Musik geht es auch viel um Geschmack, weil man so viele Stellschrauben hat, an denen man drehen kann. Im ersten Moment ist das sehr überfordernd. Wenn man unsere Musik schon lange hört, kommt das Soundbild von "Dark" jetzt nicht unbedingt als Überraschung. Für uns war es ein Schritt, aber nichts davon hat sich unnatürlich angefühlt."
Gleichzeitig muss man anerkennen, dass die übergreifende Entwicklung der Blackout Problems abseits dieser Vorzeichen schon eine große Kurve hingelegt hat. Die Songs “For The Road” oder “Home” aus dem Jahr 2014 klingen mit ihrem reduzierten, akustischen Pop-Gewand ganz anders als mächtige Produktions-Monster wie “Driveby” oder “Murderer”. “Ich würde es tatsächlich sehr offen lassen, ob wir nochmal in so eine Richtung gehen, das kann immer passieren", meint Michael im Hinbllick auf die Ursprünge seiner Band. "Ich kann mir vorstellen, dass wir nach einem Album wie 'Dark', wo wir sehr viele Songs mit vielen Spuren geschrieben haben, wieder mit Limitation kürzen, was die Instrumente, was die Spuren angeht. Die nächste Platte wird dann vielleicht ein Turbostaat-Punk-Album."
Neben den musikalischen Entwicklungen fällt aber vor allem auf, dass "Dark" wieder mehr gesamtgesellschaftliche Fragen in den Raum wirft. War "Kaos" noch eher von persönlicher Problemerfahrung- und Verarbeitung geprägt, ist "Murderer" vom Mord an Walter Lübcke inspiriert, "Houseonfire" scheint deutlich von den jüngsten Protesten der Klimabewegung geprägt. In "Lady Earth" findet sich sogar ein "Keep It In The Ground"-Protestchor, den man oft auf ebenjenen Demonstrationen hört. “Obwohl 'Dark auch Songs über persönliche Probleme enthält, überwiegen, auch in der Singleauswahl, die gesellschaftliche Kritik und die gerade aktuellen Themen. Je länger wir das hier machen, desto mehr reden wir über solche Sachen bei uns intern und desto wichtiger wird es für uns, da eine ganz klare Meinung zu haben - als Band, aber auch als Privatperson. Je älter man wird, desto schwieriger ist es gegen Sachen wie Rassismus oder die Klimakrise immun zu sein. Wenn man da komplett meinungslos ist, ist das für mich auch eine Meinung."
Um die Hintergründe und Entstehungsprozesse ihrer Songs zu erläutern, haben die Blackout Problems dieses Mal sogar eine ganze Dokureihe inszeniert. In “Dark Days” erfährt man viel über die Entwicklungen im Studio - aber eben auch, wie die Band auf "Fridays For Future"-Demos Inspirationen für neue Songs fand. "Am Anfang war die Grundidee, eine begleitende Doku zur Platte zu drehen", erinnert sich Michael. "Dann hat sich der Gedanke gewandelt und immer größere Züge angenommen. Wir wollten uns da ein wenig rausnehmen und die Leute fragen, die in diesen Themengebieten auch tätig sind, weil die das besser wiedergeben können, was gerade passiert. Deswegen war das Color Magazine zu Gast, und Fridays- und Scientists For Future waren da, weil wir denen die Plattform geben wollten. 'Dark Days' ist viel breiter aufgestellt als eine bloße Band-Doku. Ich habe das Gefühl, dass mittlerweile jede*r dahinter gestiegen ist, wie Platten aufgenommen werden. Eine normale Doku war uns da einfach nicht interessant genug."