AdW: Was sollte man aus deiner Sicht anders machen?
Torsun: Es ist ja wirklich ein Problem, dass die Leute nicht nachdenken. Man könnte sich ja als Schwächste zusammentun, aber stattdessen wird immer weiter nach unten getreten. Ich bin mit meinem Latein da wirklich langsam am Ende. Von einem revolutionären Klassenkampf sind wir ja weit entfernt. Leute werden nicht erreicht und wollen Rechts wählen, nicht um gegen etwas zu trotzen, sondern weil sie das halt wollen. Man kann nur hoffen, dass es sich wieder zum Besseren wendet.
AdW: Denkst du, dass die AfD jetzt, da sie im Bundestag sitzt, wieder abschwächt, da Leute eventuell mitbekommen, dass sich da auch nicht so viel tut wie versprochen?
Torsun: Das kann passieren. In den 90ern habe ich sowas schon gefürchtet. In der Zeit bin ich eigentlich Antifaschist geworden. Damals wurden NPD, Republikaner und so weiter immer stärker. Die Republikaner hatten einen kurzen Run und danach wurden sie vergessen. Dennoch gibt es die Gesetze ja. Die Gesellschaft hat schon jetzt einen riesigen Schritt nach rechts gemacht. Ich befürchte aber eher, dass es noch viel schlimmer wird als es jetzt ist. Um aber auf die eigentliche Frage aber zurückzukommen: Es nervt sehr viel. Was nicht nervt, sind meine Frau, meine Tochter und meine Miezen. Konzerte sind auch immer wieder geil. So was nervt halt nicht.
AdW: Denkst du, das ist auch der Grund, warum Links nicht so weit nach vorne kommt? Vielleicht halt, weil die meisten Menschen sich denken, dass man sich lieber auf die kleinen Sachen konzentrieren sollte?
Torsun: Es ist ja schon immer schwer gewesen, unter Links eine Einigkeit zu formen. Die Linke hier ist zerstritten wegen Israel. Wegen einem Staat, der so groß ist wie Hessen. Aber die haben halt auch ein riesiges Antisemitismusproblem. Eigentlich bräuchte man einen riesigen Antifaschismusruck, aber das wird so schwer. Teile der Linken haben es einfach versäumt, sich an manche Streitereien ranzuhängen, zum Beispiel beim Bahnstreik, wo man hätte Solidarität zeigen können. Die haben es halt einfach verpeilt.
AdW: Von den Bundestagswahlen zurück zur Musik, besser gesagt allgemein zu anderen Dingen. Was ist das Größte, das sich seit 2005, dem Wechsel zu Audiolith, verändert hat?
Torsun: Das Krasseste war ja, dass Musik tatsächlich zu meinem Beruf geworden ist. Das ist wahrscheinlich das Beste was mir in meinem Leben passiert ist. Ich hatte ja echt keinen Plan B. Ansonsten habe ich halt wirklich viele coole Leute kennen gelernt. Musik war halt schon immer das Wichtigste in meinem Leben.
AdW: Machst du außerhalb von Egotronic eigentlich auch noch Musik?
Torsun: Klar! Derzeit mache ich viel Quatsch-Musik. Also ich versuche mich immer wieder an Trap-Sachen, in der Art wie Lil Peep, und singe darauf total breit irgendwelche Sachen drauf. Ganz ohne Musik könnte ich auch nicht. Dennoch ist es weniger als früher. Vielleicht ist das auch nur eine Alterssache. Mittlerweile habe ich halt auch Bock einfach nichts zu machen.
AdW: Was sollte denn eigentlich mal wieder sein, wie es mal war? Wenn sich für dich alles zum Guten gewendet hat, gibt es da nicht doch irgendwas, das mal besser war?
Torsun: Eigentlich bin ich ja absolut nicht der Typ, der sich denkt, dass früher alles besser war. Diese Entwicklung, gerade beim technischen Fortschritt, bin ich in der Zeit, in der ich lebe, super zufrieden. Mein erster Computer war damals ein Commodore 64. Da hatten noch alle gesagt, dass sich das sowieso nicht durchsetzen wird. Aber doch, das finde ich alles ziemlich cool. Eigentlich will ich gar nichts zurück, außer antifaschistische Großdemonstrationen, wie es sie in den 90ern gab.
AdW: Kann ich gut nachvollziehen. Wo soll denn dann die Reise für Egotronic noch hingehen? Soll noch irgendwas passieren? Und lassen sich deine persönlichen Wünsche damit eigentlich kombinieren?
Torsun: Ich habe eigentlich überall gespielt, wo ich mal spielen wollte. Dieses Jahr hat sich dann der letzte große Traum von Rock am Ring und Rock im Park erfüllt. Das hatte halt noch gefehlt. Mit der Musik bin ich im Prinzip an den Punkt gekommen, an dem ich alles erreicht hab, was ich erreichen wollte. Das Ziel bei der nächsten Platte ist natürlich aber wieder, dass sie anders als die anderen acht klingen soll. Das nächste Egotronic-Album wird aber erst frühestens 2020 erscheinen. 2019 möchte ich gerne mal gar nichts machen. Seit 2003 war ich jetzt jedes Jahr auf Tour. Es gilt halt wieder was zu finden, was geil klingt, aber was auch anders ist.
AdW: Das klingt jetzt schon sehr viel versprechend. Nun zu meiner letzten Frage: Was wäre Ashi, der Sänger von Captain Capa (Support) für dich als Tier?
Torsun: Ein Erdmännchen, haha.