Es sind Erdnüsse. Ganze Erdnüsse in rauen Mengen. Vater und Sohn sind zufrieden, die Snacks des Abends sind gesichert. Nun der Blick zurück auf die kleine Bühne. Erst jetzt erkennt der Sohn, dass ein Klavier auf der Bühne steht und die Bühne damit mindestens halb voll ist. Das Lokal füllt sich in der kommenden halben Stunde und damit auch langsam die Bühne. Eine Gruppe älterer Herren trägt ihre Instrumente heran, ein kleines Drum-Set wird aufgebaut und mit Klavier und Schlagzeug ist die Bühne eigentlich schon zu voll, damit sich am Ende noch weitere Instrumentalisten aufstellen könnten, doch sie tun es trotzdem. Ein Bassist klettert auch noch auf die Bühne, zwei Gitarren, ein Saxophon und eine Trompete werden hinten aufgestellt, ein Mikrofon steht vorne an der Bühnenkante. „Der muss irgendwann umfallen, der kann gar nicht stabil da oben stehen bleiben.“ Vater und Sohn sind sich einig. Dann beginnen die alten Herren. Sie spielen Old-School-Jazz, Art Pepper, Zoot Sims, Benny Carter, Tex Beneke und viele andere. Hin und wieder streuen sie auch eigene Stücke ein. Zu Beginn des Konzerts ist der Sohn sich sicher, dass besonders der alte Herr am Saxophon das Ende des Konzerts womöglich nicht erleben wird. Doch da liegt der Sohn falsch. Und spätestens als der Herr, dem Gejohle der Anwesenden zufolge wohl ein Lokalmatador, sein Instrument ablegt um ans Mikrofon zu treten, gibt es im Publikum kein Halten mehr. Seine Gesangseinlage wird aus dem Hintergrund „anmoderiert“, wohl eher ins Plenum geschrien, mit den Worten: „Und nun die goldene Stimme aus Köln-Deutz!“ Das Ganze mit einem Kölner Zungenschlag. Was folgt, ist eine Eigenproduktion der Band, und die Stimme des alten Herren ist vielleicht nicht golden, aber sie passt zur bierseligen Stimmung im Lokal. Vater und Sohn genießen den Abend. Sie knacken sich pfundweise Erdnüsse, besorgen sich bei dem übertrieben freundlichen Herren hinter dem Tresen Bier um Bier und vielleicht auch den ein oder anderen Gin-Lemon und klatschen Applaus nach jedem Stück und johlen irgendwann nach jedem „letzten“ Song, dass doch noch einer geht. Und tatsächlich, es geht noch einer. Und noch einer. Es hört gefühlt gar nicht mehr auf. Und die Herren spielen sich immer wieder aufs Neue in einen Rausch. Es ist spät in der Nacht, als der Abend endet. Es ist nach halb zwei. Vater und Sohn verlassen das Lokal und finden auf dem Rückweg eine Eisdiele. In einem mehr oder weniger an- bis betrunkenen Zustand und bei immer noch 25 Grad, wirkt das wie der heilige Grahl. Was für ein Abschluss.
Nun gut, jetzt kann man sagen, na und? Ein Konzertbericht, dazu noch in einem so kleinen Club? Ihr berichtet doch sonst auch von deutlich Größeren.
Doch es war mein erstes Mal - in einem Jazzclub. Das erste Mal wirklich Jazz gehört. Das erste Mal mit meinem Vater getrunken. Es war ein unglaubliches Erlebnis. Ungefähr ein dreiviertel Jahr zuvor hatte ich Iced Earth gesehen, mein erstes richtiges Konzert. Doch es war nicht annähernd so einprägsam, wie dieser Abend in Papa Joe’s Jazzlokal „Em Streckstrump“.