David Schumann spricht über KMPFSPRT und „Gaijin“: Schrödingers Punkrock

Wütend und aufrührerisch wie eh und je machen KMPFPSRT auf ihrem dritten Album ihr Maul auf und heben den Mittelfinger. Dabei wollen sie Sprachrohr sein, aber eigentlich nicht Sprachrohr sein. Ein Fall für Schrödinger.

Acht Stunden arbeiten, dann rein in Van, zum Gig fahren, um drei Uhr nachts ins Bett fallen, nur damit um sieben Uhr wieder der Wecker klingelt und man rechtzeitig zur Arbeit kommt. Seit 2011 waren KMPFSPRT fast konstant auf Tour, die Kölner spielten bis zu 80 Konzerte im Jahr. Und das mit Vollzeitjobs. Daher war die zurückliegende Live-Pause im Jahr 2017 enorm wichtig. „Irgendwann ist man einfach platt“, konstatiert David Schumann. Aber die freie Zeit hat gutgetan. Und man war ja fleißig. Die Jungs hatten Zeit, sich mehr als je zuvor den Texten zu widmen, und „Gaijin“ ist gerade lyrisch vielleicht das wichtigste Album der Band, einfach weil die Welt seit „Intervention“ ein ganzes Stück weiter nach rechts gerückt ist. „Gaijin“ nimmt Stellung gegen diese Strömungen. Dabei sind es keine besonderen Ereignisse, die das Album zu dem machen, was es ist. Eine rassistische, xenophobische Stimmung macht sich auf der Welt breit und dagegen machen KMPFSPRT ihren Mund auf. Die Welt braucht mehr denn je Sprachrohre, die eine Haltung oder auch ein Gefühl repräsentieren, alleine schon, weil es für die, die sich nicht trauen den Mund aufzumachen, so einfach ist dieses Sprachrohr zu nutzen. Es sind die zwei Klicks am PC oder Smartphone: teilen. So kann man seiner Meinung auch kundtun. Auch das macht „Gaijin“. „Ich würde uns nicht als Sprachrohr bezeichnen, dass wäre mir zu anmaßend.“ Bescheidenheit ist eine Tugend. Denn eigentlich ist das das Ziel der Platte, die Leute zu erreichen und ihnen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind.

Ein besonders stolzer Punkt auf der Platte war dann aber gar nicht beabsichtigt. Für seinen Text erhielt „Chateau Migraine“ das „Parental Advisory – Explicit Content“-Label. Dieser „Hinweis für Erziehungsberechtigte“ kennzeichnet Lieder, die für Minderjährige ungeeignet scheinen. So stehen KMPFSPRT auf einer Stufe mit Bands wie Attila, aber auch Haftbefehl und Co. Den Vorwurf gegen den Text kann man nur erahnen, Gewaltverherrlichung scheint als Grund am wahrscheinlichsten. Dabei ist all die Gewalt ja nur sinnbildlich für die Scheiße, die einem im Alltag widerfährt. Ob in der Arbeit, Uni, Schule, Familie, was auch immer. Die zentrale Frage: Warum haut mir das Leben die ganze Zeit auf die Fresse? Aber auch darum geht es in diesem Song, dass man sich die Schläge nicht alleine holen muss, sondern dass man Freunde hat, seine Gang oder auch die Familie, die einem vom Boden aufhelfen oder einem beim Zähne zusammensuchen beiwohnen. Metaphorisch gesehen natürlich - oder auch wirklich. Oder beides.

Aber wie macht man das? Wie macht man ein Lied nach dem anderem, in denen man fast nur negative Texte schreibt, ohne dabei verbittert oder gar depressiv zu werden? Weil genau das die Therapie ist. Still dazusitzen und sich den Müll in der Welt einfach zu geben, das macht krank. Aber belastende Themen aufgreifen können, seine Gedanken mit der Welt zu teilen und sie zu verarbeiten hilft, damit fertig zu werden. Die besten Beispiele sind dafür auf jeden Fall Tom Weaver von Casey und natürlich Jesse Barnett, vor allem als Frontmann von Trade Wind. Auch wenn KMPFSPRT nicht so persönlich werden wie die beiden, so verarbeiten sie trotzdem in frustrierten und wütenden Texten das, was sie bewegt und belastet.

Führen solche Texte in die Charts? „Intervention“ hat es geschafft, ob es mit „Gaijin“ gelingt ist auch nicht so wichtig. „Das bedeutet ja nicht, dass wir dann mit Limousinen abgeholt werden und mit den Reichen und Schönen dinieren, das will auch keiner von uns.“ Es ist eine schöne Bestätigung, mehr aber auch nicht. Die Band macht Musik nicht des Ruhmes, sondern der Musik wegen. Daher ist es auch nicht Ziel, davon leben zu können. Wo Verträge sind, da ist Druck, da ist auch Manipulation und das wollen KMPFSPRT auf keinen Fall. Die Band möchte nur Musik machen, wenn sie es will und nicht wenn sie ins Studio gezwungen wird. „Dann dauert das Album halt mal drei Jahre, weil wir die Zeit brauchen.“ Aussagekräftiger als Plattenverkäufe sind dann einfach die Leute, die vor der Bühne stehen, die Texte mitsingen und ihre Zeit opfern, nur um dich zu sehen.

Aber ein bisschen träumen darf man ja immer, und so ist es für David immer noch ein Traum, einmal mit Weezer zu touren. Sich mit Rivers Cuomo zu unterhalten, aus dessen Feder das legendäre blaue Album stammt und natürlich „Pinkerton“, die beste Platte der Band, für manche sogar eine der besten Platten überhaupt. David will herausfinden, wer dieser Mann ist, wie er tickt und warum verdammt nochmal „Pacific Daydream“ das Licht der Welt erblicken musste. Der größte Traum könnte sich aber in wenigen Jahren vielleicht schon erfüllen, nämlich zwei Platten mit dem selben Drummer aufzunehmen. Das war der Band bislang nicht vergönnt. Allerdings kann man zufrieden sein, denn mit Daniel Plotzki ist ein altbekanntes Gesicht dazugestoßen, man kennt sich durch die Arbeit bei Fire In The Attic.

Jetzt geht’s aber auch erstmal auf Tour. Und obwohl eine jede Station großartig ist, freuen sich KMPFSPRT auf Berlin immer besonders. Denn Kollegen aus der Szene, und davon gibt es in Berlin wirklich reichlich, im Publikum stehen zu sehen und dann auch zu treffen macht immer großen Spaß.