Interview

Novelists-Sänger Matteo Gelsomino spricht über "Noir": Herausforderungen

Mit „Noir“ haben Novelists in diesem Jahr ein vertracktes Album veröffentlicht, das sowohl seine Hörer als auch die Band selbst herausforderte. Frontmann Matteo Gelsomino veranlasst das zu musikalischen Grundsatz-Fragen.

Es ist ein verregneter Spätherbst-Abend in Hamburg. Während Novelists-Sänger Matteo Gelsomino mit dicker Jacke in dem engen, nicht beheizten Tour-Wohnmobil seiner Band über Musik spricht, ist ihm das Grinsen trotzdem kaum vom Gesicht zu wischen. Das liegt wohl vornehmlich an dem ehrlichen Stolz eines jungen Künstlers auf sein neuestes Werk, das wohl auch für Gelsomino persönlich einige Grenzen gesprengt hat: „Unser erstes Album ‚Souvenirs‘ haben wir einfach so aufgenommen, völlig ohne Plan. Wir sind immer noch stolz auf diese Platte, aber wir würden so nicht erneut ein Album machen wollen. Die Entstehung von ‚Noir‘ hat uns vor viele Probleme gestellt, es gab auch unter uns viele Konflikte, wie die Platte nun klingen sollte. Wir haben oft auf verschiedene Dinge unterschiedliche Ansichten, und dabei die Mitte zu finden, war eine schwierige Balance.“

Dass sich der Schreibprozess des zweiten Novelists-Album als kompliziert gestalten würde, ist angesichts seiner Ambitionen kaum verwunderlich: „Noir“ verfolgt den Aufbau einer fast klassischen Sinfonik und ist in vier Teile gegliedert, die sich teilweise völlig voneinander abheben. „Es gibt zwei Seiten der Waage: Auf der einen liegt unser Wille, auf der anderen die Erwartung unseres Publikums. Auf unserer ersten Platte haben wir da nicht wirklich drüber nachgedacht, aber dieses Mal wollten wir nicht das tun, was die Menschen von uns erwarten, sondern etwas, worauf wir stolz sein können. Und obwohl ‚Noir‘ anders ist als unser bisheriger Output, trifft es im Kern immer noch die Identität unserer Band. Wir werden auf dem Nachfolger dieser Platte wahrscheinlich nicht noch einmal das selbe tun, aber der Weg, auf dem wir dieses Album konzipiert haben, hat uns die Tür geöffnet, noch weiter in bestimmte Richtungen zu gehen.“ Das sind keine leeren Worte, sondern werden vom neuen Werk der Franzosen eindrucksvoll unterstrichen. Auf „Noir“ prallen zahlreiche Stile aufeinander, Metalcore ist höchstens noch die tragende Grundsubstanz. Im Anblick der zahlreichen Nebenprojekte der Bandmitglieder kein Wunder: Zwei Teile des Quintetts arbeiten zur Zeit an einem Pop-Album, Gelsomino selbst denkt sogar über eine Rap-Platte nach.

Trotz aller Verkopftheit steht für Gelsomino aber immer noch die Emotion als maßgebliches Element im Vordergrund. Auf „Noir“ spricht er vornehmlich von düsteren Themen und inneren Schmerzen. Auch, weil er, wie er sagt, furchtbar schlecht fröhliche Songs schreiben kann: „Ich spreche nicht über Dinge, die ich nicht kenne, und da mein Leben ein ziemliches Chaos ist, würde es sich für mich falsch anfühlen, über positive Dinge zu schreiben. Das Problem ist, dass ich bei fröhlichen Songs einfach nie zum Happy End komme. Wenn ich mit so etwas anfange, finde ich es nach zwei Minuten schon kitschig. Ich habe das Gefühl, bei fröhlichen Songs hat man einfach nicht viel zu sagen. Ich kann erzählen, dass ich gut drauf bin, weil gerade alles toll läuft, bei dunklen Songs kann ich aber viel tiefer graben.“ Das führt Gelsomnio zwar durch innerlich schwere Konflikte, hilft ihm aber auch, seine Erlebnisse zu verarbeiten. Ganz besonders dann, wenn er auf der Bühne steht: „Vor ein paar Tagen waren wir in Dänemark. Vor der Bühne stand ein Mädchen, und sie erzählte mir, dass sie in diesem Jahr einen sehr guten Freund verloren hatte, und dass ihr unser Album geholfen hätte, darüber hinwegzukommen. Ich habe ihr die Hand geschüttelt, und sie hat angefangen zu weinen. So etwas berührt mich sehr.“