Im Kreuzverhör

Im Kreuzverhör #27: Mach One - "M.A.C.H."

Einmal monatlich stellt sich die Redaktion gemeinsam Platten außerhalb ihrer Komfortzone. Dieses Mal wirft Moritz eine Art "Gangsterrap light" von Mach One in den Ring.

Die Geschichte wie ich zu diesem Album gekommen bin, darf man eigentlich niemandem erzählen. Den Track "M.A.C.H." hab ich in einer Newcomerplaylist entdeckt und erkannte die Stimme direkt wieder. Das klang genau wie der erste Part aus dem alten Anti-Rassismus-Track der Brothers Keepers "Adriano". Das Problem ist allerdings, wer da in "Adriano" gerappt hat, war mit Nichten Mach One, sondern Torch. Überzeugt von der politischen Ausrichtung, machte ich mich also aus reiner Verwechslung auf die Reise in den Kosmos dieses Albums. Erst Jahre später wurde mir der Irrtum bewusst, doch genug von meiner Schande der Unwissenheit. Dieses Album war neben dem Battlerap dieser Zeit ein weiterer Pflasterstein auf meinem Weg in den Rap. Die Wandlungsfähigkeit ist auf dem Album einfach genial. Diese Selbstironie auf der einen Seite in "M.A.C.H." oder in "Hier!", dieser recht stumpfe Humor in "Brenn, Brenn", "Kleiner dicker Bruder" oder "Anni", Deepe Tracks, nachdenklich wie in "Schwerelos" oder "Was würde ich tun". Anfangs haben mich die Gangsterallüren ein wenig genervt, jedoch verbittert man vielleicht einfach, wenn alle alte Kollegen die Plattendeals eingehen, die man sich geschworen hat nie einzugehen. Absolut überragend auch die Geschichte über Mobbing in "Schlaflied". Einfach ein hervorragendes, vielseitiges Rapalbum. Mach Ones Raptechnik ist nicht spektakulär, aber seine textliche Gewantheit macht richtig Laune. Das Album ist ein Statement und präsentiert Mach besser als er es außerhalb eines Tracks in Worte fassen könnte.

Da mach ich nach langer Zeit wieder beim Kreuzverhör mit und kriege ausgerechnet ein Deutschrap-Album kredenzt. Was würde ich für Mahler oder gar Yussef Kamaal von früheren Ausgaben geben! Naja, beim Kreuzverhör geht es schließlich auch darum, aus seinen gewöhnlichen Hörgewohnheiten gerissen zu werden. Das hast du wunderbar geschafft, Moritz. An sich schätze ich Rap und vor allem Hip Hop. Ich liebe meine Beastie Boys, Death Grips ist eine meiner absoluten Lieblingsbands und Tyler, the Creator hat mit Igor eines der besten Alben der 2010er geschaffen. Wenn Rap allerdings deutschsprachig wird, habe ich meistens meine Probleme damit. Für mein Verständnis gibt es Deutschrap und es gibt Deutschrap. "M.A.C.H." gehört zum Glück zu der nicht ganz so schlimmen Sorte à la 187 Straßenbande, Shindy oder Bushido. Die Texte von Mach One scheinen selbstironisch zu sein und Humor zu besitzen. Das tröstet zwar nicht über Tracks wie "Schwerelos" hinweg (oder ist es einfach nicht mein Humor?), aber macht es dennoch besser als die meisten Tracks der Konkurrenz. Die hauptberuflichen Humor-Rapper von Trailerpark haben ebenfalls ein Feature. Da freuen sich sicherlich viele - ich mochte Trailerpark leider noch nie so richtig. "Kleiner dicker Bruder" versteckt sich ebenfalls hinter einer dicken Schicht an Sarkasmus und Humor, trotzdem habe ich bei so flachen Lines und Sexismus meine letzte Mahlzeit hochgewürgt. Es gibt halt Deutschrap und Deutschrap, am Schluss ist es aber halt trotzdem nur Deutschrap.

M.A.C.H. von Mach One ist, wenn man die ganze Zeit Albumtitel und Interpret verwechselt. Mit der Musikrichtung Rap kann ich generell schon etwas anfangen - aber da die musikalische Untermalung ja doch eher weniger in's Gewicht der Bewertung fällt, sind die Texte für meine Beurteilung eben essenziell wichtig. Und um aus dem titelgebenden Song "M.A.C.H." zu zitieren "Ey welcher Spast hat den Scheiß geschrieben?". Die ersten Tracks sind gewöhnungsbedürftig. Politische Korrektheit erwarte ich bei Rap eigentlich nicht, ganz "asozial" sollte es nach meinem Geschmack trotzdem nicht sein (außer Trailerpark, die liebe ich, wird später noch relevant). Man hat zwischendrin, nach der Quasi-Enttäuschung der ersten paar Songs, die Hoffnung, dass es dann doch was ultra Starkes wird (z.B. bei "Schwerelos", wo es auch endlich musikalisch interessanter wird) und dann kommt eine Textphrase wie "Denn ich bin schwerelos: Ein riesengroßer Schwanz im All" und man macht sich verzweifelt auf die Suche nach einem letzten Fünkchen Genialität - oder zumindest Ironie. Und plötzlich wird's mit "Meine Jungs" politisch und Begriffe wie "Gentrifizierung" fallen. Und ich ertappe mich beim Mitnicken!  Abseits vom Lokalpatriotismus zu Kreuzberg und der damit einhergehenden massiven Überbeanspruchung der Zahlenkombination 361, sind ein paar der folgenden Songs tatsächlich gar nicht so schlecht. Endlich lässt sich auch die Verwendung des Stilmittels "Humor" erkennen - auch wenn der Beat irgendwann eintönig wird. Aber dann kommt die Collab mit Trailerpark und damit hat sich das Album noch ein bisschen mehr aus dem Sumpf der Eintönigkeit befreit. Auch wenn ich anfangs (zu Recht!!) skeptisch war und auch mit einigen Tracks in genau dieser Skepsis bestätigt wurde, bin ich dennoch positiv überrascht. Vielleicht sollte ich  Deutschrap einfach öfter eine Chance geben (und nein, Bushido, Kollegah etc. wird da nie dazugehören!).