Im Kreuzverhör

Im Kreuzverhör #20: James Blunt - "The Afterlove"

Einmal monatlich stellt sich die Redaktion gemeinsam Platten außerhalb ihrer Komfortzone. Dieses Mal wirft Moritz seine Guilty Pleasure James Blunt mit dem Album "The Afterlove" in die Runde.

Jaa ich weiß. Seine Texte sind klischeebehaftet, bis ins brechreizerregende kitschig und auch seine Stimme tendiert eher ins Kritische. Doch ich liebe einfach alles daran. An ihm selber, der in einem früheren Leben Soldat war und während des Kosovokriegs dort gedient hat. Sein größter Hit „You're Beautiful“ wird überall auf dieser Welt auf Hochzeiten gespielt, weil die Leute es so romantisch finden. Dabei verstehen sie gar nicht, dass es in dem Song einfach nur um einen einsamen Typen geht, der sich vorstellt, eine Frau, die er im Bu gesehen hat, ihrem Mann auszuspannen und mit ihr durchzubrennen. Und ich liebe James Blunt nicht zuletzt für seine 2017er Platte „The Afterlove“. Besonders, weil dieses Album so viel mehr zu bieten hat als irgendeinen Kitsch. (Natürlich auch jede Menge wunderbaren Kitsch.) „Someone Singing Along“ ist eine wunderbare Nummer über Krieg und Vergänglichkeit, die beängstigend Eingängig wäre, würde Blunt nicht in der sich eigenen Art in eine sehr hohe Stimmlage gleiten. Viele finden es befremdlich, doch ich liebe es. Auch, dass er mal zu IRGENDWAS Stellung bezieht und damit ein Vorreiter in seinem Genre ist. Auf dieser Platte wagt sich James Blunt auch das erste mal intensiver an elektrische Beats ran und auch das gelingt ihm überraschend gut. „Lose My Number“ setzt das um und ist eine überraschend Düstere Geschichte über einen eifersüchtigen Stalker. Und wenn es um Gefühle geht, weiß Blunt, welche Knöpfe er drücken muss. Denn so sehr „Lose My Number“ unbehagen verbreitet, so sehr wird mir bei „Time Of Our Lifes“ warm ums Herz. Er erzählt von seiner Hochzeit und viel plakativer kann man keine Romantik verbreiten. Auch die Geschichte, dass er zusammen mit Ed Sheeran, auf dessen Rat hin, einen Song für seine Frau schreibt, welcher es mit dem Titel „Make Me Better“ den Weg auf das Album gefunden hat. Mit diesem Hintergrundwissen hört man diesen Einfluss auch heraus. Und dann noch der Bonustrack der Special Edition. Es tut mir für James Blunt unendlich leid, dass dieser Song die einzige Nummer-Eins-Single des Albums war. Und auch nicht, weil er darauf so überragend performt hat, sondern weil Robin Schulz den Beat gemixt hat. Aber nichtsdestotrotz, Blunt war natürlich das Highlight in „OK“.

Lange bevor sich Ed Sheeran zum popkulturellen Massenphänomen mauserte, durfte die Welt schon einmal einem britischen Singer-Songwriter lauschen. Dieser pachtete ab dem Jahre 2004 die oberen Chartplatzierungen und verzückte (weite Teile der Bevölkerung) mit bittersüßen Gitarrenklängen. Die Rede ist von James Blunt („1973“ oder „You´re Beauftiful“ irgendjemand?) und dessen unbestreitbarem Talent, das emotionale Zentrum vieler Middle-Ager zu adressieren. Nun mag man meinen, dass Herrn Blunts musikalische Blütezeit vorüber ist und er längst von der nächsten Generation überrundet wurde. Verfechter dieser Theorie wären beim Topfschlagen sicher erfolgsverwöhnt, denn eines ist gewiss: Der Kochtopf (die Wahrheit) befindet sich in greifbarer Nähe. Auf dem Plattenteller rotiert nun also „The Afterlove“ - ein Werk, das sich krampfhaft an die Versen derzeitig angesagter Musiker heftet („Love Me Better“) oder aber den Zenit jeder Kitsch-Skala mühelos übersteigt („Don´t Give Me Those Eyes“ & „Make Me Better“). War es nicht die bodenständige Art fernab des üblichen Star-Brimboriums, die James Blunt zum Sprung auf den Akustik-Thron verhalf? Lauscht man Songs wie „California“ oder „Lose My Number“, scheint hiervon kaum etwas übrig zu sein. Der Moment des Abdankens ist und bleibt schwierig abzupassen, keine Frage. Doch hier wurde er offenkundig überschritten. Um nun nicht im Schlechten auseinanderzugehen, seien dem potentiellen Hörer (möchte nach dieser Werbekampagne überhaupt noch jemand einen Versuch wagen?) zumindest noch die wohl versteckten Lichtblicke ans Herz gelegt: „Heartbeat“ ist in Ansätzen durchaus interessant und die politische Aussage auf „Someone Singing Along“ ist in Zeiten des globalen Rechtsrucks wichtiger denn je.

Fazit