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EM Streckstrump - Eine Ode an die Freude

Es war mal ein deutlicher jüngerer Moritz, der noch nicht viel von den Bars, Clubs und großen Venues mitbekommen hat. Er ist gerade 16 Jahre alt geworden. Auf einer Kurzreise mit seinem Vater durch Köln sollte sich ihm eine prägnante Erfahrung ergeben. Eine kleine Ode an einen Club.
Jazz

Ein sehr warmer Spätsommerabend, nach 20 Uhr. Die Sonne steht schon sehr tief, das Abendessen liegt schwer, aber gut im Magen. Doch um faul am Rhein zu sitzen oder gar zurück in die Unterkunft zu gehen, sind Vater und Sohn zu aufgedreht. Der Weg soll kurz sein, also führt der Vater seinen Sohn durch die Kölner Altstadt und beide treten ein in eine kleine Bar. Der Raum ist vielleicht zur Hälfte gefüllt, leises Getuschel an den Bänken. Noch während der Sohn sich ungläubig umsieht, wird ihnen auch schon eine Begrüßung entgegengeschmettert: „Heeeey meine Freunde! Kommt ihr heeer, trinkt ein Biiiieer!“ Und noch bevor der Sohn sich versieht, hat er auch schon ein Glas Kölsch in der Hand. Über einer winzigen Bühne scheint eine rosarote Neonschrift: „Papa Joe’s Jazzlokal“. Der Vater und Papa Joe hinter der Bar begrüßen sich wie alte Freunde und wie ein Pubertierender es eben macht, wenn ihm der Vater womöglich peinlich werden könnte, schaut der Sohn demonstrativ weg und scannt weiter den Club. Direkt vor dem Tresen steht eine extra lange Bierbankgarnitur, auf der rechten Seite ist ein Balkon - What? Und daran hängen Blumenkästen - Strange. Noch bevor die beiden sich einen Platz suchen können, sind die Gläser leer und neue in der Hand. Daraufhin suchen sich Vater und Sohn Plätze auf dem Balkon und schauen sich endlich an, was in diesen Blumenkästen ist.

Es sind Erdnüsse. Ganze Erdnüsse in rauen Mengen. Vater und Sohn sind zufrieden, die Snacks des Abends sind gesichert. Nun der Blick zurück auf die kleine Bühne. Erst jetzt erkennt der Sohn, dass ein Klavier auf der Bühne steht und die Bühne damit mindestens halb voll ist. Das Lokal füllt sich in der kommenden halben Stunde und damit auch langsam die Bühne. Eine Gruppe älterer Herren trägt ihre Instrumente heran, ein kleines Drum-Set wird aufgebaut und mit Klavier und Schlagzeug ist die Bühne eigentlich schon zu voll, damit sich am Ende noch weitere Instrumentalisten aufstellen könnten, doch sie tun es trotzdem. Ein Bassist klettert auch noch auf die Bühne, zwei Gitarren, ein Saxophon und eine Trompete werden hinten aufgestellt, ein Mikrofon steht vorne an der Bühnenkante. „Der muss irgendwann umfallen, der kann gar nicht stabil da oben stehen bleiben.“ Vater und Sohn sind sich einig. Dann beginnen die alten Herren. Sie spielen Old-School-Jazz, Art Pepper, Zoot Sims, Benny Carter, Tex Beneke und viele andere. Hin und wieder streuen sie auch eigene Stücke ein. Zu Beginn des Konzerts ist der Sohn sich sicher, dass besonders der alte Herr am Saxophon das Ende des Konzerts womöglich nicht erleben wird. Doch da liegt der Sohn falsch. Und spätestens als der Herr, dem Gejohle der Anwesenden zufolge wohl ein Lokalmatador, sein Instrument ablegt um ans Mikrofon zu treten, gibt es im Publikum kein Halten mehr. Seine Gesangseinlage wird aus dem Hintergrund „anmoderiert“, wohl eher ins Plenum geschrien, mit den Worten: „Und nun die goldene Stimme aus Köln-Deutz!“ Das Ganze mit einem Kölner Zungenschlag. Was folgt, ist eine Eigenproduktion der Band, und die Stimme des alten Herren ist vielleicht nicht golden, aber sie passt zur bierseligen Stimmung im Lokal. Vater und Sohn genießen den Abend. Sie knacken sich pfundweise Erdnüsse, besorgen sich bei dem übertrieben freundlichen Herren hinter dem Tresen Bier um Bier und vielleicht auch den ein oder anderen Gin-Lemon und klatschen Applaus nach jedem Stück und johlen irgendwann nach jedem „letzten“ Song, dass doch noch einer geht. Und tatsächlich, es geht noch einer. Und noch einer. Es hört gefühlt gar nicht mehr auf. Und die Herren spielen sich immer wieder aufs Neue in einen Rausch. Es ist spät in der Nacht, als der Abend endet. Es ist nach halb zwei. Vater und Sohn verlassen das Lokal und finden auf dem Rückweg eine Eisdiele. In einem mehr oder weniger an- bis betrunkenen Zustand und bei immer noch 25 Grad, wirkt das wie der heilige Grahl. Was für ein Abschluss.

Nun gut, jetzt kann man sagen, na und? Ein Konzertbericht, dazu noch in einem so kleinen Club? Ihr berichtet doch sonst auch von deutlich Größeren.
Doch es war mein erstes Mal - in einem Jazzclub. Das erste Mal wirklich Jazz gehört. Das erste Mal mit meinem Vater getrunken. Es war ein unglaubliches Erlebnis. Ungefähr ein dreiviertel Jahr zuvor hatte ich Iced Earth gesehen, mein erstes richtiges Konzert. Doch es war nicht annähernd so einprägsam, wie dieser Abend in Papa Joe’s Jazzlokal „Em Streckstrump“.