“Turn on, tune in, drop out” — Wie LSD die 60er-Jahre geprägt hat

Tame Impala, Tool, King Gizzard and the Lizzard Wizard. Alle drei sind Bands mit großen Fangemeinden und allen lässt sich auf die ein oder andere Art und Weise das Prädikat “psychedelic” zuordnen. Aber woher kommt dieser Stil eigentlich? Die Geschichte einer Droge.

Als der Schweizer Chemiker Albert Hofmann 1943 durch Zufall die chemische Substanz entdeckte, die später als LSD bekannt werden sollte, konnte er noch nicht ahnen, dass er damit eines der größten kulturellen Ereignisse der letzten hundert Jahre lostreten würde. Hofmann begann kurz nach der Entdeckung gezielt an, mit und auf LSD zu forschen und beschreibt den Einfluss der Droge als “Erweckungserlebnis” und LSD als “spirituelle Substanz”. Hofmann wurde mit der Zeit zu einem der enthusiastischsten Befürworter der LSD-Forschung und war überzeugt von den positiven Wirkungen der Droge. Auch andere hatten Interesse an den Auswirkungen von Lysergsäurediethylamid, wie LSD wissenschaftlich heißt. Zum Beispiel die CIA, die wollten nach Aussagen beteiligter Wissenschaftler:innen nämlich mit Hilfe von LSD den kalten Krieg gewinnen. Diesem Projekt mit dem Titel MK Ultra widmete der Dortmunder Rapper Goldroger auf seinem 2016er Album “AVRAKADAVRA”, das stark von psychedelischer Gitarrenmusik beeinflusst ist, sogar einen eigenen Song. Aus der militärischen Nutzung von LSD wurde letztendlich nichts, aber es blieb nicht nur bei dieser verrückten Idee. In den 60ern versuchte der Biologe John C. Lilly mit Hilfe von LSD mit Delfinen zu kommunizieren. Finanziert wurde dieses Projekt von der NASA, die sich von den Erkenntnissen erhoffte, Techniken für die Kommunikation mit möglichen Außerirdischen zu gewinnen (Wer war jetzt hier auf Acid?).

Den größten Einfluss hatte LSD aber auf die Counterculture-Bewegung der 60er-Jahre in den USA und die Kultur, die sie umgab. Das Zitat aus der Überschrift stammt vom US-amerikanischen Psychologen und Acid-Enthusiasten Timothy Leary, der die Worte bei einem Konzert während des berühmten “Summer of Love” 1967 in San Francisco apathisch ins Mikrofon nuschelte. Er trug dabei ein wallendes weißes Gewand und hatte Gänseblümchen im Haar. Das ist das Bild, das bei den meisten im Kopf auftaucht, wenn sie an LSD und seine Konsument:innen denken. Wallende Kleider mit Blumenmuster, Bänder im Haar, ein etwas ungepflegtes aussehen. Tatsächlich machte die Popularität der Droge aber auch vor den vermeintlich genialsten Köpfen und Künstler:innen keinen Halt. Von Aldous Huxley, der mit seinem Buch “Island” gleich die Inspiration für die religiöse Bewegung “Brotherhood of Eternal Love” gab, bis zu Jimi Hendrix, der mit seinem legendären Auftritt beim Woodstock zu so etwas wie dem Aushängeschild der Hippie-Bewegung wurde.

LSD wurde zum Brennspiritus für das Feuer der neu entdeckten Spiritualität der 1960er. Frank Herbert’s “Dune”-Zyklus begeistert neben Hippies und Student:innen auch deren Professor:innen und sollte die Popkultur bis heute nachhaltig beeinflussen. Die Beatles läuteten mit “Sgt.Pepper’s Lonely Hearts Club Band” nicht nur ihre psychedelische Phase ein, sondern legten auch den Grundstein für den Sound und die Ästhetik des Psychedelic Rock. Die charakteristischen Artworks und Poster aus diesem Genre sind stark inspiriert von der Art Nouveau, einer künstlerischen Stilrichtung aus den 1890er-Jahren. Damals fanden viele Künstler:innen, dass die voranschreitende Urbanisierung und Industrialisierung die Städte hässlich mache, weshalb sie sich ganz bewusst bei Naturmotiven und bunten Farben bedienten. In den 60ern entdeckten Clubs und Promoter diesen Stil für sich und wandelten ihn ab, um für ihre Konzerte Werbung zu machen. Der große Vorteil solcher Plakate war, dass sie sehr ins Auge fielen und nebenbei extrem billig zu produzieren waren. Und die grellen Farben und Muster ließen sich außerdem auch wunderbar genießen, wenn man bereits unter dem Einfluss psychoaktiver Substanzen stand…

In der Musik zeigt sich der Einfluss des LSD-Kults am deutlichsten, was wohl daran liegen dürfte, dass Musik als einziges Medium sozusagen “beidseitig” kompatibel mit dem LSD-Konsum ist. Viele Filme, Bücher und Kunstwerke sind entweder zwar sehr stark davon geprägt, dass sie unter dem Einfluss psychoaktiver Drogen entstanden sind oder sich mit der Thematik auseinandersetzen (Aldous Huxley’s Bücher “Brave New World” und “Island”), oder sie sind darauf ausgelegt, sie high zu erleben, wie zum Beispiel die Bilder des Künstlers Alex Grey oder die Filme von David Lynch und Alejandro Jodorowsky. Musik ist aber ein derart intuitives und unmittelbar erlebbares Medium, dass der Konsum von LSD sowohl für die Produzierenden als auch für die Konsumierenden zuträglich ist oder sein kann. Das heißt natürlich weder, dass alle Musiker:innen aus diesem Genre oder ihre Fans dauernd voll auf Acid sind, noch dass psychedelische Musik nur auf Drogen so richtig funktionieren kann. Viele berichten allerdings, dass der Konsum und die damit einhergehenden visuellen Halluzinationen ihnen eine weitere Ebene der Musik offenbart haben, sei das beim Musik machen oder beim Musik hören.

Die Reaktion der republikanischen Regierung in den USA auf den LSD-Hype schlug sehr schnell von wissenschaftlichem Interesse in Verteufelung und harte Bestrafungen für den Konsum der Droge um. LSD-Konsumierende sind nun mal in der Regel weder loyale Patriot:innen noch gute Kapitalist:innen. Ronald Reagan, der damalige Gouverneur von Kalifornien, dem Epizentrum der Hippiebewegung, ging mit harter Hand gegen den LSD-Konsum vor und setzte damit eine politische Schlagrichtung, die 1972 in Nixons Erklärung des “War on Drugs” gipfelte und deren Ausläufer noch heute in der US-Drogenpolitik spürbar sind. Aber auch der kulturelle Einfluss der Droge ist heute noch präsent. Ohne die durch die Hippies populär gemachte Kombination von Musik und Rausch in den 60ern hätte es die Rave-Kultur der 80er und 90er mit Künstler:innen wie The Prodigy wohl nie gegeben. Ohne Hendrix’ “Voodoo Child” kein “Lateralus”, und ohne “Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band” kein “Nonagon Infinity”. Man mag von LSD und dem Konsum halten was man will, aber der kulturelle Einfluss, den diese Droge hatte und immer noch hat, ist nicht zu verkennen.

Mittlerweile wird übrigens wieder an LSD geforscht, um zum Beispiel psychische Erkrankungen wie Depressionen damit zu behandeln. Wir befinden uns also auf einem Weg zu einem differenzierten Umgang mit der Substanz, und das nur knappe 80 Jahre nach ihrer Entdeckung…