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Haarige Angelegenheit - Das Musical "Hair"

Das 1968 uraufgeführte Musical "Hair" schreit mit den Themen Hippiebewegung und Vietnamkrieg nur so nach den 60er-Jahren und gilt noch dazu als Meilenstein der Popkultur. Klar, dass wir uns im 60er-Themenmonat damit befassen müssen.

Das Musical erzählt die Geschichte von Claude Bukowski, der aus Oklahoma für die Musterung als Soldat für den Vietnamkrieg nach New York kommt. Doch gerade angekommen, trifft er auf eine Gruppe Hippies unter der „Leitung“ von Berger und deren freies, ungezwungenes Leben fasziniert ihn. Als er sich dann auch noch in Sheila, ein Mädchen aus der gehobenen Schicht verliebt, ist für ihn klar, dass er sich der Hippie-Gruppe anschließen will.

Letztendlich tritt Claude aber doch seinen Dienst bei der Armee an und kommt in ein Trainingslager nach Nevada. Seine Freunde schmieden in der Filmversion aber einen Plan, um ihn nochmal zu sehen, der beinhaltet, dass sich Berger mit Uniform in die Kaserne schleicht und den Platz mit Claude tauscht, damit dieser ein paar Stunden mit seinen Freunden verbringen kann. Doch plötzlich muss die Truppe gen Vietnam starten und Berger zieht für Claude in den Krieg. Wie das Ganze ausgeht, wird hier nicht gespoilert, denn es gibt die alte, aber gar nicht so schlechte Verfilmung der Geschichte, die sich vielleicht doch jemand anschauen möchte.

Die Geschichte und damit das Musical ist entstanden in einer Zeit in den USA, die vom Vietnamkrieg überschattet wurde. Fast eine halbe Million amerikanische Soldaten waren zu dieser Zeit im Kriegseinsatz – durch Wehrpflicht, die es zu diesem Zeitpunkt noch gab. Deshalb entstanden vielerorts Protestbewegungen, die durch gleichzeitig ablaufende Widerstandsbewegungen wie die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King und Malcolm X noch verstärkt wurden und zu einer Politisierung der breiten Bevölkerung führten. Sogar in Europa entstanden Friedensbewegungen, was das Zeitalter der Hippies erst richtig einläutete. Das typische Erscheinungsbild der Hippies – lange Haare, zerrissene Jeans und „altbackene“ Klamotten – stand für die Widerstandshaltung gegen das ordentliche Establishment. Lange Haare galten als unhygienisch, „gammlig“. Nach ebendiesen typischen, langen Mähnen ist "Hair" benannt und auch der Titelsong ist ein Lobgesang auf die Haare – mit Zeilen wie „Hair, grow it, show it, long as I can grow it, my hair“ oder „My hair like Jesus wore it, Hallelujah I adore it“. Frisuren als Widerstand, das war eben in den Sechzigern nicht nur im Musical so.

Auch der Regisseur der Musicalversion – die sogar am Broadway gelandet ist – war selber in der Szene unterwegs und hat durch seinen Aktivismus und beispielsweise das Anführen von diversen Friedensmärschen mehrere Gefängnisstrafen absitzen müssen.

Und was wäre die Besprechung eines Musicals in einem Musikmagazin, ohne auf die Musik einzugehen? "Hair" hat eine wahnsinnig lange Setlist, bestehend aus ganzen 37 Songs, und verhältnismäßig eher wenig gesprochene Szenen, da die Handlung und vor allem Gefühle in musikalischer Untermauerung deutlich besser rüberkommen. So muss in der Musik und den betreffenden Szenen natürlich auch viel Inhalt in wenig Volumen erzählt werden – was aber absolut gelingt. Mal sind die Songs wahnsinnig emotional, wie „Easy To Be Hard“ oder „Walking In Space“, greifen ernste Thematiken wie Rassismus und Queerness auf, oder stellen auch einfach mal einen Drogentrip dar, wie in „Hare Krishna“.

Besonders mitten ins Herz sticht allerdings der Finalsong "Let The Sunshine In", der nicht nur in den Charts gelandet ist, sondern auch als Antikriegssong noch heute Verwendung findet. Die Geschichte ist regimekritisch, höchst politisch, dramatisch und dazu zwischendurch auch einfach mal lustig – nicht umsonst hat "Hair" Musicalgeschichte geschrieben.