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Lygo und Havarii in Hamburg: Tatort - Hafenklang

Während der abendliche TV-Klassiker um 20:15 Uhr an so einem Sonntag sicherlich ganz reizvoll ist, was die Bequemlichkeit angeht, ersuchen Lygo ebenjene zu zerschmettern.
Lygo Hamburg

Das Hamburger Hafenklang, ein ehemaliges Tonstudio direkt an der Kaimauer unweit der U-Bahnstation Reeperbahn, bot am Sonntag, 14.10 zwei jungen und knackigen deutschen Kapellen die Bühne. Als sich die Türen um 20 Uhr öffnen, pilgern auch bereits die ersten Gäste an die Theke und den Kickertisch. Um kurz nach neun ertönt dann plötzlich eine rauchige Stimme aus den Boxen: Havariis atmosphärisches Showintro. Die vier sind spürbar energiegeladen, ging es doch vor zwei Tagen endlich wieder auf Tour, endlich wieder raus und auf die Bühne. Mit dem Tourstart veröffentlichte das Quartett auch ein Video ihrem neuen Song „Zwischen Welten“.

Für Havarii ist der Abend ein Heimspiel. Dementsprechend gut drauf erschienen alle vier Bandmitglieder vor, auf und neben der Bühne. Man keift und scheppert sich durch ein für eine Supportband verhältnismäßig lang wirkendes Set. Aber die Hamburger Schreihälse geniessen die Zeit und füllen sie durchweg mit Power. Bassistin und Sängerin Mareike kämpft zwar öfter mit den Steckern auf ihrem Effektbrett, doch derlei unscheinbar unsouveräne Momente machen ein Konzert erst memorabel. Das Publikum nimm Havariis klirrenden Post-Hardcore aber gut auf und geizt nicht mit Beifallsbekundungen. Einzig zum Singalong im eben erwähntem neuen Song lassen sich die Zuschauer nicht motivieren. Doch das verheißt keinen Bruch der Intensität, mit der Havarii das Hafenklang befeuern.

Havarii Hamburg

Nach einer fixen Umbaupause tänzeln Lygo auch schon aufs Parkett. Schon im September erschien ihr aktuelles Album „Schwerkraft“ und es ist offensichtlich, dass das Bonner Trio es kaum erwarten kann, die neuen Songs auch live zu schmettern. Insgesamt präsentiert es einen bunten Mix mit neun von elf Schwerkraft-Songs, gespickt mit Schmankerln der „Misere“- und „Sturzflug“-EPs. Dabei handelt man primär die unangenehmen Themen des Alltags, der Gesellschaft und des eigenen Innenlebens ab. Doch in einem so erbaulichen Setting wie hier, lässt sich jeder Dorn aus jedem Auge ziehen.

Die drei jungen Herren auf der Bühne haben von Sekunde eins an mächtig Spaß. Bei der Zuhörerschaft hält sich der Bewegungsdrang jedoch durchweg in Grenzen. Trotz offensichtlicher Textsicherheit bei weit aufgesperrten Mitsingschnäbeln mangelt es bedauerlicherweise an kontinuierlichem Pogotanz. Dabei spielte es keine Rolle, ob Neulinge wie „Festgefahren“ und „Fiebertraum“ oder Klassiker wie „Störche“ oder „Spiritus“ zum Besten gegeben wird. Mitgeschrien wird aus allen Winkeln des Raums.

Simon, Jan und Daniel grinsen stetig wie leibhaftige Honigkuchenpferde und spielten sich die Seele aus dem Leib. Das ist wahrlich schön anzusehen. Vor allem, weil das Dreiergespann oft eher grimmig wirkt. Doch auf der Bühne strahlt ein jeder heller als 1000 Sonnen. Die knappen 80 Minuten Spielzeit erscheinen aufgrund der Menge der Songs auch wesentlich länger als sie tatsächlich sind, sodass es gefühlt schon nach Mitternacht ist, bevor die Gäste am reich gedeckten Merchtisch vorbei gen beginnende Arbeitswoche schlendern. Für einen Sonntagabend war das Hafenklang heute ansehnlich gefüllt und wenn die Tour so oder noch besser weiterläuft und alle wohlauf bleiben, dann bleibt sie allen Beteiligten hoffentlich in bester Erinnerung.