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Anti-Flag und "American Fall": Protest im Wandel

Er ist längst da. Spätestens seit dem Aufstieg Donald Trumps begann der „American Fall“. Ein neues Anti-Flag-Album ist also mehr als überfällig. Niemand, außer vielleicht Bernie Sanders, findet so klare Worte gegen den amerikanischen Präsidenten wie das Quartett aus Pittsburgh, Pennsylvania. „American Fall“ rechnet gewaltig mit dem amerikanischen Rechtsruck ab und schlägt musikalisch gänzlich ungewohnte Töne an.
Anti-Flag American Fall Cover

Mit der ersten Singleauskopplung schafften es Anti-Flag mich gänzlich zu verstören. „American Attraction“ arbeitet textlich wie immer fantastisch und ist als Einstieg einfach perfekt. Die in Melodie gefasste Antwort auf die Kriegserklärung Trumps an die Welt, mit „America First“ und dem angedrohten Atomschlag gegen Nordkorea. Soweit so gut. Warum also verstörend? Es ist die Art des Songs. Er ist ungewohnt langsam, härter. Dadurch verkehrt der Track eher im Hardrock als im Punk. Und die Band klingt dabei besser als je zuvor. Für so manchen Anti-Flag-Fan ein Schlag ins Gesicht. Für mich jedoch einer der besten Genrewechsel, den ich je gehört habe.

Man könnte meinen, dass der Punk, der darauf folgt enttäuschen könnte. Ganz im Gegenteil. „The Criminals“ ist diesmal eine Kriegserklärung von Anti-Flag gegen die Rassisten in der Welt, bis diese „6 Fuß unter der Erde“ sind. Instrumental ist das wieder astreiner Punkrock. Allerdings ist der Gesang melodischer als sonst. „When The Wall Falls“ ist musikalisch wieder absolut abstrus. Wie dereinst in „Turncoat“, starten die US-Amerikaner mit einem kleinen Chor, der ein bisschen trällert, bis die Instrumente einsetzen. Im Refrain eine merkwürdige Mischung aus Reggae und Punk, die aber trotzdem sofort ins Ohr geht und dort auch verharrt.

In „Liar“ feiert der aggressiv gebrüllte, übertrieben schnelle und impulsive Sound von älteren Songs wie „You Are Fired“ sein Comeback. Hier allerdings perfektioniert. Das Riff ist deutlich anspruchsvoller, man könnte auch sagen, es gibt ein erkennbares Leit-Riff. Wenn dieser Track nicht wenigstens mit dem Hintergedanken geschrieben wurde, live einen riesen Mosh- oder Circle Pit auszulösen, dann fress' ich einen Besen. Der Song ist einfach perfekt dafür.

„Throw it Away“ geht vom Stil wieder in Richtung „American Attraction“, allerdings gewinnt der Song nochmal etwas an Härte, besonders durch die nochmals aggressiveren Riffs und Drums im Refrain. Somit bewegt sich der Song irgendwo zwischen Hard Rock und Nu Metal. Auch das ist wieder absolut brillant und es stellt sich mir immer wieder dieselbe Frage: Was wäre, wenn sie von Anfang an Hard Rock oder gar Metal gespielt hätten?  Fun Fact am Rande: Obwohl fast das komplette Album Donald Trump, seine Politik, seine Anhänger und Brüder im Geiste kritisiert, wird sein Name in keinem Lied auch nur ein einziges Mal erwähnt.

„American Fall“ ist genau das Album, das die Welt und besonders die USA gebraucht haben. Linke, beziehungsweise antifaschistische Alben oder Lieder kamen in den letzten paar Jahren sehr viele, allerdings gab es dabei immer eine Gratwanderung zwischen Kritik und bloßer Beleidigung. Anti-Flag haben den perfekten Weg gefunden, knallharte Missbilligung zu äußern, die voller Zynismus ist, verfallen dabei allerdings nicht in bloße und niveaulose Beleidigungen. Ein weiteres Mal: Chapeau, die Herren!

Fazit

9.1
Wertung

Anti-Flag machen auf „American Fall“ einfach alles richtig. Aus dem altbekannten Flag-Punk und neuen härteren Klängen entsteht ein Album, das nicht weniger als ein Fanal in der vom Rechtsruck geplagten Welt ist. Allerdings sind es besonders die neuen Klänge, die nicht nur überzeugen, sondern sogar begeistern.

Moritz Zelkowicz
5.7
Wertung

Politisch gut, musikalisch eher mittelmäßig, bringen Anti-Flag mich in eine Zwickmühle. Ich will's geil finden, weil es textlich echt passt, die Musik packt mich aber nicht wirklich. Schade.

Johannes Kley